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Ausklang und Hoffnung
Das Thema von Adelsstolz und Bürgertugend in Georg Kaisers ironisch-selbstironi- scher, eia Vierteljahrhundert alter „K o 1- portage“ bat uns nicht mehr viel zu sagen, da wir uns längst daran gewöhnt haben, Angehörige einst regierender Häuser höchst bürgerlichen Berufen nachgehen zu sehen. Darum hebt die Regie Paus Barnays und besonders das. mit verdientem Sonderapplaus bedachte Bühnenbild Gustav Mankers mit Recht die Komödie in die Sphäre des Grotesken, Unwirklichen, des „surrealistischen“ Schwankes. Allerdings fallen dadurch die schon im ursprünglichen Text recht schwachen Ansätze zur Soziaikritik erst recht aus diesem toll-überwirklichen Rahmen; zumal im dritten Akt, wo sie — ein Zugeständnis an den derzeitigen genius loci und nervus rerum — besonders unterstrichen werden. Bis dann ganz am Schluß die beiden gegeneinander gestellten Welten — hier die untergehende traditionsüberlastete alteuropäische Adelswelt, dort die unbekümmerte hemdärmelige „neue Welt“ des „common man“ —, gerade weil sie so ganz schablonenhaft-oberflächlich gezeichnet sind, im seltsamen Zwielicht der letzten Minute zu Symbolen des europäischen Niederganges und des Emporwachsens neuer Welten werden — worauf es die musikalische Einrichtung von Frank Fox bereits den ganzen Abend hindurch angelegt hat. Die Weise vom „Untergang des Abendlandes“, Spengler und Toynbee als Werkelmelodie! Womit, wohl unbewußt, die Tradition des alten Wiener „Vclkstheaters“ von der barocken Klage über die Eitelkeit der Welt bis zum Aschenlied Raimunds in der Fassung unseres Jahrhunderts erneuert erscheint.
Diese Gegenüberstellung der boxenden, gummikauenden, herzhaft-gutmütigen Amerikaner und der alten traditionsreichen, wehmütig ausklingenden europäischen Adelswelt wird im Schönbrunner Schloßtheater bei „Arme kleine Tiere“ von Philip Bary Wirklichkeit. In dem kaiserlichen Schloß- tbeater, dessen Architektur sich nach Reifrock und Perücke sehnt, das in Kleidung und Aussehen grau und unscheinbar gewordene Theaterpublikum Wien 1949. Auf der Bühne aber spielen junge Menschen mit Schwung, Begeisterung und unleugbarem Talent die Komödie eines Amerikaners, welche Berufs-, Ehe- und Gesellschaftsprobleme unserer Zeit, unserer Generation behandelt. Hier ist alles echt, wirklich, aus der Gegenwart empfunden und dargestellt. Die ausgezeichnet gesehenen Typen des jungen idealistischen Verlegers, der zwischen gesellschaftlich-wirtschaftlichem Erfolg und Treue zu seiner Sendung seinen Weg sucht (Huisman), der ringenden jungen Malerin (Annemarie Dürauer), des „Society- Girls“ (Elisabeth Körner) und — eine Sonderleistung — der Naturbursche Gerhard Hofers. Auch das atmosphärisch erstaunlich echte Bühnenbild Edith Almoslinos spielt mit Erfolg mit. Das mit der epischen Breit der jungen amerikanischen Literatur angelegte Stück ist ganz offenbar unserer jüngsten Bühnengeneration kongenial. Nur bei unseren Autoren scheint es noch immer zu hapern, hier scheint das allzu schwer empfunden Gewicht der großen Tradition den Durchbruch zum Theater unserer Gegenwart zti verhindern. Es wäre an der Zeit, daß ein junger österreichischer Autor, der seine Thematik nicht aus der Welt Bahrs und Hofmannsthals holt und der nicht in Sartre- Epigonentum verfällt, endlich das Gegenteil bewiese. Oder ist es zuviel, vom Dichter za fordern, was die Politiker, Wirtschaftsführer und Denker dieses alten Kontinents offenbar nicht vermögen?
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