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BEGEGNUNGEN MIT RUDOLF ALEXANDER SCHRÖDER

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1922 lernte ich Rudolf Alexander Schröder auf einer .niederdeutschen Woche“ in Bremen kennen. Dieser ersten Begegnung folgten im Laufe der Jahre viele andere. Besonders deutlich erinnere ich mich eines Besuches in seinem schönen Haus in Bremen-Oberneuland. Dieser Besuch an einem Sonntagmorgen war nur als Stipp-Visite gedacht, da ich damals in Horn, nicht weit von Schröder entfernt, in der Villa Fitger bei den beiden alten Töchtern Fitgers (einem um die Jahrhundertwende berühmten und vielumstrittenen bremischen Maler und Dichter) wohnte. ,

Schröder war wunderbarer Laune und erzählte mir viel aus seiner Jugend in Bremen, von seinem Vetter Heymel und seinen Münchener Jahren und zeigte mir seine große und schöne Bibliothek. Zum erstenmal sah ich hier seine frühen Gedichtbände. „Unmut“, „Belinde“, „Elysium“, die um die Jahrhundertwende in kostbaren Vorzugsausgaben erschienen waren. Als ich mich dann verabschieden wollte, fragte Schröder, ob mich die Töchter Fitger zum Essen erwarteten. Nein. „Ja, warum denn die Eilei Meine Schwester Dora hat uns zum Mittagessen eingeladen: es gibt Hasenbraten mit rotem Kohl und anschließend zum Mokka Indianertorte...“

Unvergeßliche Stunden! Sein Witz und Charme hatten mich verzaubert. Ich war damals noch zu Jung, um die ganze Bedeutung und Größe dieses wunderbaren Mannes zu begreifen und zu verstehen. Zusammen mit Hugo von Hofmannsthal und Rudolf Borchardt bildete er das weithin leuchtende Dreigestirn, das einer ganzen Epoche unendliche geistige Werte schenkte. Als Lyriker, Essayist und als Übersetzer aus vielen fremden Sprachen, vor allem als Erneuerer klassischer Verskunst (Homer, Vergil, Cicero, Horaz) ist sein Name untrennbar mit der Dichtung der Weltliteratur für alle Zeiten verbunden. Weiten Kreisen ist er bekannt geworden durch seine „Odyssee“- und „Illias“-Übertragungen.

Ich bin Schröder später noch oft begegnet. Eine der eindrucksvollsten Begegnungen war jene nach einer Predigt in einer evangelisch-lutherischen Kirche in Berlin im Jahre 1936. Schröder, der sich nach der „Machtergreifung“ immer mehr auf das theologische Feld zurückzog, war niedergedrückt und verbittert über die neuen Männer, denen er seine Gefolgschaft verweigerte. Dann und wann sah und sprach ich ihn nach diesem Kriege auf den Tagungen der bibliophilen Gesellschaften in Köln, München, Bremen oder Hamburg, auf denen dieser wohl kenntnisreichste Bücherfreunde seine launischen und geistsprühenden Vorträge hielt. Bei solchen Treffen war er Mittelpunkt liebender Verehrung, unschlagbar im geistreichen Zwiegespräch, immer aufgelegt zu Scheut und munterer Rede, die er so gern (und so gut!) mit Gedichten aus dem Stegreif würzte. Große und kleine Kollegen, Bücherfreunde und Bibliophile (die er scherzhaft „Biblioviecher“ nannte) nahm er „aufs Korn“. Bekanntgeworden ist jener Vierzeiler, der bei ähnlichem Anlaß Hans Egon Holthusen galt (der seine „Geistlichen Gedichte“ als Kunstgewerbe kritisiert hatte):

Kunstgewerbe nennt's Hans Egon Und entzieht ihm seine Gunst. Habeat sibi: Ich hingegen Nenn' es: „Angewandte Kunst!“

In den letzten Jahren habe ich ihn wiederholt in seinem Haus „Sonnleiten“ in Oberbayern besucht, wohin er sich 1937 zurückzog, um möglichst wenig von den „braunen“ Herrschaften zu sehen. Die Sitte, bei guten Anlässen von ihm und seiner Schwester Dora (sie, seine treueste Mitarbeiterin, ist 1959 gestorben) zu Hasenbraten mit rotem Kohl und der „Indianertorte“ eingeladen zu werden, hat er von Bremen nach Bayern übertragen! In den letzten Jahren war R. A. Schröder mit „Aufräumungsarbeiten“ beschäftigt. Er war froh und erleichtert, die Übertragung der wesentlichsten Shakespeare-Dramen hinter sich gebracht zu haben, und stand damals, wie er mir sagte, “mit der Zusammenstellung seiner theologischen Schriften und Predigten kurz vor dem Abschluß. Zuletzt sichtete er seinen umfangreichen Brief Wechsel, mit Hugo von Hofmannsthal, der hoffentlich bald erscheinen wird.

An einem schönen Junitag des Jahres 1961 war ich wieder einmal bei ihm. Er sei gesundheitlich nicht „recht auf dem Posten“, wie er meinte, aber sonst... ! Sein großer Kummer war, daß die Sehkraft arg nachließ und er nicht mehr wie früher lesen und schreiben konnte und mehr und mehr diktieren mußte, was ihn besonders bei seinen Übersetzerarbeiten behinderte.

Ich zeigte ihm ein Photo, das mein Sohn von ihm gemacht hatte. „Zeigen Sie mal her, meine Leute sagen, es sei ganz gut!“ Nur mit Hilfe eines starken Vergrößerungsglases konnte er es betrachten. „Schietkram“, sagte Schröder auf plattdeutsch, „ich • kann nur-wenig erkennen“, legte das Photo resigniert zur Seite und zündete sich eine neue Havanna an. die er wie eh und je mit Genuß rauchte. Zum Abschied schrieb er mir mit unsicherer Hand, weil ihm das Schreiben große Mühe machte, diesen Stegreif vers in eines seiner Bücher:

Das Lichtbild ist für jedermann, der noch bei Licht was sehen kann. Geht das nicht mehr, selbst durch die Lupe — wird ihm der Bilderbogen schnuppe. Ich hoff Freund Arens, Ihr Gesicht erfährt dergleichen Wandel nicht. — Wir bleiben, edler Kunstgeselle, bis an den letzten Schnaufer „helle“.

Ihr R. A. Schröder

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