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Buch der Fröhlichkeit und Besinnung

19451960198020002020

Erde, preise den Herrn. Chronik eines Dorfpfarrers. Von Nicola Lisi. Uebertragung aus dem Italienischen von Hanns von Winter. Verlag Herold, Wien. 248 Seiten. Preis 42 S.

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Erde, preise den Herrn. Chronik eines Dorfpfarrers. Von Nicola Lisi. Uebertragung aus dem Italienischen von Hanns von Winter. Verlag Herold, Wien. 248 Seiten. Preis 42 S.

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Wer dieses Buch zur Hand nimmt, ist von einem Mißgeschick bedroht: Nach fröhlicher Bewunderung des Schutzumschlages, der in seiner künstlerisch fein ausgewogenen Komposition und liebenswürdigen Heiterkeit zu den besten der diesjährigen österreichischen Buchproduktion gehört, beginnt er, vielleicht bestimmt von der Assoziation „Bernanos, Tagebuch eines Landpfarrers“ oder „Pezeril, Tagebuch eines Domherrn“, oder „Trese, Auch ein Mensch“, das Buch zu lesen in der Erwartung, von der heute längst nicht mehr unerheblichen Problematik eines Landpfarrers zu erfahren oder Geständnisse einer um die Heiligkeit ringenden Priesterseele zu erlauschen oder aber sich an mystischen Hymnen und Ergüssen zu erfreuen. Und weil nichts von alldem in dieser Chronik zu finden ist, weil auch „nichts geschieht“, schließt er allzubald (und dies wäre das Mißgeschick) dieses entzückende Buch. Denn entzückend ist die Chronik, nicht bloß deshalb, weil sie ein liebenswürdiger, reifer Dorfpfarrer schreibt (und gehört ein gütiger alter Landpfarrer nicht zu den tröstlichen Gestalten, in denen unsere Erinnerung ausruht und von denen heiterer Friede in unsere Seele zieht?), ein Mensch, der sich noch nicht von den komplizierten Problemen dieser Zeit in einen hektischen Lebens- und Arbeitsrhythmus hetzen läßt, sondern auch und noch mehr deshalb, weil in diesem Priester die wundersame Kindeseinfalt, die Christus meint, lebt und weil er in einer gelösten und lösenden Innerlichkeit erzählt, wie sie nur solchen, die reinen Herzens sind, eigen ist. Und wovon er erzählt? Ach, von den Aschenbrödeln unseres täglichen Erlebens, die wir immer wieder vom Rande unseres Bewußtseins jagen oder über die wir höchstens nachsichtig lächeln, leicht und so nebenbei. Hier nun huschen sie vom Rande in die Mitte unseres inneren Raumes, formen sich zum kindlichen Reigen und singen leise, fast flüsternd, ihr Lied, weil sie kein Lärm übertönt. Denn nur wer innerlich zu schweigen versteht, vermag sie zu hören und zu lieben, diese Aschenbrödel des täglichen Erlebens, wer sie in seinen Herzensfrieden aufnimmt, aus dem allein tiefes und reifes Erleben ersteht. Und wer sie zu lieben weiß, in dem steigt jene kleine und so köstliche Freude auf, die eine Freude der reinen, offenen Güte ist. Und so mag es kommen, daß, wer dieses Buch liest, innerlich immer gelöster wird, daß sein Antlitz sich unbemerkt zu einem bald glücklichen, bald belustigten, bald recht nachdenklichen Lächeln formt, zu einem Lächeln,' das voll Ehrfurcht vor den kleinen Dingen und der Naivität eines reifen Kinderherzens ist. Und ist solche Naivität dem Geheimnis der Dinge nicht bisweilen näher als unsere oft so fragwürdige Bildung und Vielwisserei? Gewiß, man stößt hier nicht in seelische Tiefen hinab; doch einfach deshalb, weil die Tiefen dieser Priesterseele — wie die Seele im Kindesauge — sich in den kräuselnden Wellen spiegeln, einer Seele, die lautere Liebe zu Gott und den Menschen ist. Und es ist wohl das Geheimnis des Zaubers dieses Tagebuches, daß es aus solcher Liebe des Schweigens kommt und in schweigende Liebe führt. — Der Stil könnte kaum unpathetischer und darum gewinnender sein: eben diese Einfalt ist seine Kraft. Daß nicht jeder Klang des italienischen Originals herübergeholt werden konnte, ist dem Uebersetzer nicht anzulasten; das Mögliche ist wohl gelungen. — Und dürfen wir noch eines behaupten? Das Buch ist ein Prüfstein: Wer es deshalb ablehnte, weil darin „nichts geschieht“, würde damit beweisen, daß ihm etwas abgeht, was ihn gar fröhlich und liebenswürdig machen würde — die innere Stille und die demütige und darum so reiche Einfalt des Herzens.

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