BUCHEMPFEHLUNGEN VON FURCHE-REZENSENTEN
Sechs persönliche Buchtipps von leidenschaftlichen Leserinnen und Lesern, Bücher zum Verschenken oder Selberlesen
Sechs persönliche Buchtipps von leidenschaftlichen Leserinnen und Lesern, Bücher zum Verschenken oder Selberlesen
MARIA RENHARDT:
Ein Salaryman, der gekündigt worden ist, und ein Hikikomori. So nennt man in Japan Menschen, die sich im Elternhaus einschließen und die Kommunikation einfrieren. Die beiden lernen einander im Park kennen. Der Ältere ist da, weil er seine Frau nicht enttäuschen und mit der Wahrheit konfrontieren möchte. Der andere hat sich zu einem "Freigang" entschlossen und erlebt wie Döblins Protagonist Biberkopf die Außenwelt neu, als "Gefäß", das sich füllt. Langsam, tastend gelingt ein Gespräch. Die junge Autorin mit japanischen Wurzeln spürt auf sehr sensible Weise Phänomenen unserer leistungsorientierten Gesellschaft nach. Im Spagat zwischen Druck und Verweigerung tun sich eindrucksvoll Fenster der Hoffnung auf.
Ich nannte ihn Krawatte
Von Milena Flasar
Wagenbach 2012, 140 S., geb., € 17,40
B. SCHWENS-HARRANT:
Nach Hölle und Läuterungsberg landet Hartmut Köhler mit seiner neuen Prosaübersetzung nun im Paradies, dem Höhepunkt der Göttlichen Komödie von Dante Alighieri. Damit liegen jetzt alle drei Bände dieses Klassikers der italienischen Literatur vor, der die Kulturgeschichte geprägt hat wie kaum ein anderes Werk, aber ohne Kommentare heute kaum mehr zu verstehen ist: Auch für diese sorgt der Übersetzer. Die zweisprachige Ausgabe wird damit zu einer Fundgrube nicht nur für Literatur, sondern auch für Geschichte. Sie lädt ein, das anspielungsreiche Textkunstwerk auch im 21. Jahrhundert neu zu erkunden.
La Commedia / Die Göttliche Komödie. III. Paradiso / Paradies
Von Dante Alighieri
Reclam 2012. 828 S., geb., € 38,00
CHRISTA GÜRTLER:
Gudrun Seidenauer lässt in ihrem "Hausroman" ein Wiener Haus aus den 1920er-Jahren die Geschichten seiner Bewohner erzählen und bewahrt dabei immer Distanz. In sieben Kapiteln öffnen sich die Türen von sieben Wohnungen und ermöglichen einen Blick auf unterschiedliche Lebens-und Liebesgeschichten, vom alleinlebenden Architekten, dessen sechzehnjährige Tochter nach elf Jahren wieder bei ihm einzieht bis zu einer Wohngemeinschaft mit multikultureller Besetzung. Seidenauer gelingen subtile und spannende Momentaufnahmen von Lebensschicksalen, die immer wieder um Fragen des Erzählens kreisen.
Hausroman
Roman von Gudrun Seidenauer.
Residenz 2012. 315 S., geb., € 21,90
MICHAEL BRAUN:
Der biblische Joseph ist eine Schattenfigur, der stumme Teil der Heiligen Familie, auf Elsheimers Bild "Flucht aus Ägypten" (1609) klein vor dem weiten Sternenhimmel zu sehen. Patrick Roth träumte von dem Bild und wählte es als Cover seines - auch vom Umfang - größten Romans. "SUNRISE. Das Buch Joseph" erzählt die Lebensgeschichte eines Retters und Haderers, eines tätigen Träumers, eines arglosen Konkurrenten Gottes um die Vaterschaft Jesu. Bibeltief und zugleich modernefreundlich, filmscharf geschnitten und spannend: Ein faszinierender Bibel-Roman für unsere Zeit.
Sunrise
Das Buch Joseph
Von Patrick Roth
Wallstein 2012
509 S., geb., € 25,60
HEIDI LEXE:
Wenn es draußen früh dunkel wird, verbringt Mia ihre Zeit ganz unaufgeregt im kindlichen Spiel. Damit entsteht nicht weniger als die liebeswerte Neuschaffung der Weihnachtsgeschichte, in der sich die Ereignisse im nächtlichen Stall mit den Regieanweisungen von Mia und den zaghaften Nachfragen ihres kleinen Bruders Jona mischen. Nichts könnte die Geheimnisse jener Nacht besser vermitteln als der geringe Aufwand, mit dem die beiden Kinder einen Schlitten, ein paar Bretter und Kuscheltiere umdeuten, um in den Weiten einer illustratorisch zauberhaft komponierten Winterlandschaft für das Wunder von "Beet-le-helm" zu sorgen.
Unsere eigene Weihnachtsgeschichte
Von Annette Langen und Marije Tolman.
NordSüd 2012. 250 S., geb., € 21,00
ANTON THUSWALDNER:
Ein beklemmendes Buch. Ernst Jünger hat als ein konservativer Denker in Deutschland seine Anhänger gefunden, Helmut Kohl berief sich gern auf ihn. Gemeinsam mit seinem älteren Bruder Friedrich Georg betrieb er vor allem in der Zwischenkriegszeit eine Radikalisierung der Deutschen. Selbst die Nationalsozialisten galten ihnen damals als zu schwach, weil sie nicht durch Terror, sondern durch Wahlen an die Macht kamen. Die beiden verkörpern das gefährliche Jahrhundert mit allen Umbrüchen, zwei verblüffende Meister der Verwandlung. Jörg Magenau besticht durch seine unbeugsam nüchterne Haltung und als ausgezeichneter Stilist, der am Beispiel zweier markanter Figuren einleuchtend Zeitgeschichte deutet.
Brüder unterm Sternenzelt
Friedrich Georg und Ernst Jünger. Eine Biographie.
Von Jörg Magenau.
Klett-Cotta 2012. 320 S. geb., € 23,60
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