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Das Amt des Verlegers

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„Das verleg' ich dir“, sagt man noch heut am Bodensee. Und meint damit: „Ich leg' dir's aus; ich streck' dir's vor.“ Hier greift man dem Zeitwort „verlegen“ an seine spätmittelhochdeutsche Wurzel. Es meint zunächst nur dieses eine: Geld auslegen; etwas auf seine Rechnung zu nehmen. So, dem ursprünglichen Sinne treu, bedeutet also auch „Verlag“ zunächst nur „Auslage“, „verlegtes“ Geld. Noch in der Frühzeit des Buchdrucks ist der Begriff „Verleger“ keineswegs auf die Sache der Herstellung von Druckwerken beschränkt. In den unterschiedlichsten Gewerben vielmehr bedeutet er nur dieses: einen Unternehmer an sich, er sein ein „Verleger“ im Tuchmacherhandwerk oder er „verlege“ — Bier. (Der Bier-„ Verlag“ ist bis ins späte 19. Jahrhundert, man wird sich erinnern, gang und gäbe gewesen.) Sehr allmählich erst hat es sich also eingebürgert, den Begriff „Verlag“ immer ausschließlicher auf die Sicherung der Kosten für die Herstellung von Druckwerken zu beschränken. Heute erst verstehen sich „Verlag“ und „Verleger“ nur noch für die Sache des Buches; dies nunmehr allerdings wie von selbst.

Der Verleger verleiblicht den Geist. Er fördert, in seines Standes schönster Würde, die Dichter und ihre Dichtungen. Sie sind in seine Hand gegeben. Lynkeus, der Wächter, ist eine der sinnbildlichen Figuren, in denen der Verleger sich zu begreifen, sich darzustellen vermag. Ein Wächter, muß er hoch stehen, um vieles zu überschauen.

Das Lynkeus-Amt; die Lynkeus-Arbeit! Schauen und lauschen; wachen und warten! Ihre oberste Tugend ist und bleibt: die Geduld. Geduld, wie sie dem Gärtner eignen muß, da er auf „Hoffnung“ sät. Dem Gärtner, der die guten Keime nährt, das Unkraut jätet und wartet, bis die Keime sprießen. Geduld, wie der Winzer sie braucht, der im Weinberg unverdrossen Rebe um Rebe setzt und neue Ernten vorbereitet. Noch manches andere Bild böte sich an, den Verleger zu bezeichnen. So muß er auch Rutengänger sein, ein Quellenfinder; Brunnenbohrer. Allerdings: ob er auch aus dem Felsen Wasser schlage wie Moses, der Mann Gottes, das steht dahin —.

„Nur das Leben weckt Lebendiges“, hat der alte Gerhart Hauptmann zu sagen geliebt. Des Geistes Leben webt nicht nur im Gegenwärtigen. So dient auch der Verleger niemals nur dem Tage selbst. Immer sucht das Auge seiner Seele auch nach rückwärts, was in der Zeiten Tiefe lebend blieb und sich befähigte, zu bleiben. So ist die Zeitgenossenschaft, die des Verlegers „Zeitgenossen“ bilden, aus vielen Zeiten versammelt. So bleibt Gelegenheit und Dauer das ständig auszuwiegende Wechsel- und Widerspiel seines Berufs.

Daß alles zusammenhänge und ineinandergreife, gleich den Gliedern einer magischen Kette; daß ein Wirker den anderen, ein Werk das andere hervorrufe in gedeihliche Nachbarschaft; er, der Verleger, hat es zu stiften und zu besorgen. Hier, in diesen geheimnisreichen Gründen der „Contemporancität“, der Mit-Zeitigkeit (wie Hugo von Hofmannsthal sie wieder und wieder genannt und bedacht hat), der Glasperlenspielerschaft quer durch die Zeiten und Räume, beglaubigt sich des Verlegers wesentliche Produktivität. So gesehen, ist und bleibt er ein sammelnder und ordnender Geist; wahrt und mehrt er den Bestand; hütet und hegt er die Schätze unserer besseren Habe, unserer dauerhafteren: der geistigen.

Aus „Ein Brunnen de* Leben“. Mit Genehmigung des S. Fischer-Verlage.

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