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Das Heilige Land im Umbruch

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Fritz Muiiar sammelte Eindrücke bei einem Gastspiel in Israel und glaubt an die Unumkehrbarkeit des Friedensprozesses.

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Fritz Muiiar sammelte Eindrücke bei einem Gastspiel in Israel und glaubt an die Unumkehrbarkeit des Friedensprozesses.

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Ein lautes Land, ein freches Land, ein hektisches Land — ein Land, wie (fast) jedes andere? Ja und nein! Ein Volk, das zweitausend Jahre und mehr schweigen mußte, sich ducken mußte, ge- demütigt wurde, hat endlich wieder einen eigenen Staat und jetzt will es eben laut sein, eigensinnig sein und kein Buckerl mehr machen! Nie wieder!

Das war meine Überlegung nach dem dritten Tag unseres Israel-Gastspiels mit dem „Kleinen Theaterfestival aus Wien“. Erika Pluhar, Top- sy Küppers, Wolfgang Hübsch, Antonio (Vittorino!) D’Ahneyda und ich traten fünf Tage in Tel Aviv auf und durften, so wie unser Publikum, zufrieden sein. „Sibirien“ auch hier ein Riesenerfolg, der Hübsch und die beiden Damen wurden gefeiert. Da bei ist das Publikum für deutschsprachige Darbietungen (alt) klein geworden, aber wir haben — so sagt man — mehr Zuspruch gefunden, als dem Burgtheatergastspiel (abgesehen von den Krachs, die stattgefunden haben) vor einem Jahr beschieden war.

Alte Bekannte wie Mosche Mei- sels, Botschafter Ben Nathan und viele andere Alt-Wiener waren gekommen, um zu sehen, zu hören, sich zu erinnern und - zu applaudieren! Die Applaus-Hände sind arthritisch geworden, der Gang langsamer — aber die Herzen sind jung geblieben. Und Wien ist nach wie vor - zu Hause! Viele dieser Alt-Österreicher haben ihre österreichische Staatsbürgerschaft wieder angenommen — trotz manch böser Zeichen an der Wand des Parlaments in Wien.

Böse Zeichen standen ja auch an der Westmauer des Tempels in Jeru salem und trotzdem betet man dort wie in den Urzeiten unserer Religionen. Hier die jungen Soldaten des neuen Staates neben bärtigen Schwarzgekleideten 500 Meter weiter die Moschee mit der Gold- kuppel, die über der Stelle errichtet ist, von der aus der Prophet in den Himmel geritten sein soll. Soll sein. Jerusalem wächst und wächst, kocht, schreit, fiebert. Yad Vashem weint - wird weiter weinen über den Tod von sechs Millionen, der von verbrecherischen Idioten bis zum heutigen Tag geleugnet und geschmäht wird.

Ein (guter) Kaffee im Haus des Vereins christlicher junger Männer — dessen Wände kluge Sprüche zieren — ein Blick auf das King David Hotel. Kein Blick in den Shuk. Zu gefährlich zur Zeit, sagt Moti, unser Fahrer, Terroristen sind am Werk, wollen den Vernunft-Frieden verhindern. Golgatha, Gethsemaneh —

Geschichte, blutige Geschichte, wohin man schaut. Und trotzdem - oder gerade deshalb? — Hoffnung überall. Die wird sogar das neue Botschaftspersonal unserer Republik, das gerade dabei ist, sich einzuarbeiten, bald merken.

Teuer ist es da, Wohnungen unerschwinglich und Löhne gering, aber die Feigen, die Kakteenfrüchte, die Granatäpfel sind preiswert und Fleisch muß man ja nicht täglich essen. Man fürchtet den Tag, an dem man den Golan räumen muß, die aus Trotz gebauten Häuser in der Westbank wird verlassen müssen. Aber es wird sein. Der Friede der Vernunft ist kaum mehr aufzuhalten. Alles ist gekommen, wie Bruno Kreisky es prophezeit hat - und Amerika braucht den Erfolg und Ruhm des Peacemakers. Und Israel ist nicht Bosnien. Da sei ihr, deren, unser Gott bevor.

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