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Das Psychogramm eines Schwerenöters

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Erich Wolfgang Skwara nähert sich in seinem neuen Buch dem Thema Liebe mit schmerzhafter Offenheit und manchmal tragisch-komischer Rationalität: Zuviel Kopf ist bei der Liebe dabei, zuwenig kann der Mann sich fallenlassen. Immer muß er wiegen und zählen. Die Frauen bleiben ein Rätsel und die Erfüllung macht Sehnsucht nach Sehnsucht.

Man kennt sie aus dem Märchen, jene verzauberten Prinzen, die nur durch die reine, unerschütterliche Liebe eines jungen Mädchens von dem auf ihnen lastenden Fluch befreit werden können. Und man kennt das daraus resultierende Spiel: Männer, ständig auf der Suche nach der noch wahreren Liebe, und Frauen auf der Suche nach einem Zu-Erlösenden.

Im Skwaras neuem Buch wird dieses Liebes-Spiel mit resignierender Klarheit als solches entlarvt, was den Romanhelden nicht davon abhält, es weiter zu spielen. In den kurzen Episoden bewegt sich ein Mann, der seine besten Jahre hinter sich hat und stolz auf schöne Frauen und glückliche Situationen mit ihnen zurückblickt.

Er hat sie alle notiert, um sich in Momenten quälender Selbstzweifel mit dieser „Bilanz" aufzumuntern. Kreuz und quer durch die Welt ist er ihnen oder sind sie ihm nachgereist. Männer wurden seinetwegen betrogen, Jobs gewechselt und viel Geld wurde für die eine oder andere Begegnung bezahlt. Die schönsten Städte Europas und Amerikas, die ausgefallensten Hotels, die besten Restaurants, alles war möglich, und doch schmeckte alles schal. Er wird älter und bleibt unerlöst.

Viele Frauen nur „angeliebt" und wieder fallengelassen, die eigene Frau und die halbwüchsigen Kinder als Sicherheitsnetz, dem er mißtraut, weil man ihm schließlich auch nicht trauen kann. Es reicht nicht einmal zu wirklich schlechtem Gewissen: „Nein, sie waren sich keiner Sünde bewußt, waren keine Betrüger, aber Angst vor der Leere hatten sie dennoch, deshalb mußten sie jede Sekunde vollstopfen mit Erlebnissen, Kram, fetten Bilanzsummen, Welt."

Schön sind für ihn die Anfänge mit ihrer Leichtigkeit. Gleich danach wird es immer kompliziert. Aus beflügelnder Sehnsucht und erotischer Leichtigkeit werden schale Wiederholungen und klare Forderungen. Spätestens dann ergreift er die Flucht. Immer weiter läuft er dabei von sich selbst davon, denn „er hatte sich unentrinnbar mit Menschen und Orten umstellt". Verwundert, daß ihn seine Mitmenschen als ehrlich und erfolgreich bezeichnen, und doch selber gnädig mit seinen Wortbrüchen und den Verletzungen, die er hinterläßt, hofft er auf „Erlösung" durch einen Flubzeugabsturz und verflucht die Präzision der Technik. Ein bißchen Selbstmitleid. Die Regeln des ewigen Spiels können nicht durchschaut werden. Gleichzeitig Zweifel, ob das nicht das Ende der Sehnsucht wäre.

Skwaras Sprache ermöglicht es dem Leser, recht gnädig mit dem ruhelosen alternden Mann im Roman mitzufühlen, der als rücksichtsloser Schwerenöter im wirklichen Leben lange nicht so viel Verständnis verdienen würde.

BDIE HEIMLICHEN KÖNIGE Roman von Erich Wolf gang Skwara. Insel Verlag, FrankfurtJM. 1995. 177Seiten, geb., öS281,-

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