6618869-1955_50_13.jpg
Digital In Arbeit

„Das Unaufhörliche“

Werbung
Werbung
Werbung

Zum 6 0. Geburtstag Paul Hindemiths fanden, wie in fast allen größeren Musikstädten der Welt, auch in Wien Konzerte statt, die wir heute und an dieser Stelle nur aufzählen können, weil wir ein selten aufgeführtes Hauptwerk des Komponisten etwas ausführlicher vorstellen möchten. (Wir beabsichtigen ferner, Paul Hindemith eine unserer nächsten Kunstseiten zu widmen.) Da ist zunächst der Text zu dem Oratorium für Soli, gemischten Chor, Knabenchor und Orchester von Gottfried B e n n. Der 1. Teil ist eine Elegie auf die Zeit, auf die Vergänglichkeit aller Dinge: „Es beugt die Häupter all, es beugt die Jahre“; was bleibt, ist „Asche und Blumengeruch“. Der 2. Teil — ein Aufbegehren der Gegenstimmen: „Aber die Wissenschaft, das große Wesen!“ — „Aber die Fortschritte der modernen Technik!“ — „Aber die Kunst!“ Im 3. Teil preist ein Knabenchor das Unvergängliche: die innere Leistung, die Kräfte der Ordnung, den individuellen Verzicht. „Das Leidende wird es erstreiten, das Einsame, das Stille, das allein die alten Mächte fühlt, die uns begleiten —: und dieser Mensch wird unaufhörlich sein.“ — Wer die Musik Hindemiths hört, der spürt, daß es dem Komponisten, als er — im Berlin des Jahres 1931 — diese umfangreiche Partitur schrieb, um mehr ging als um einen literarisch wertvollen und ausdrucksmächtigen Text. Die antizivilisatorische Tendenz entsprach der Lebens-

stimmung Hindemiths, der das Knistern im. Gebälk spürte, als er sich zu seinem großen Werk, dem „Mathis“, der Apotheose des einsamen Künstlertums, bereitete — und der einige Jahre später Seine Heimat verlassen mußte. Ueberzeugend (und dem Text entsprechend) ist die Reinheit und Echtheit der Tonsprache dieses Oratoriums, imposant die händelsche Kraft und Wucht der Einleitungs- und Schlußchöre, ergreifend die ausdrucksvollen Ariosi und das zarte Linienspiel der Soloinstrumente. Nur ab und. zu steht der etwas robuste Kontrapunkt Hindemiths in einem gewissen Gegensatz zur elegischen Grundstimmurig des Textes; aber er entspricht dem geistigen Gehalt der Dichtung Gottfried Benns mehr als lyrische Farbklecksereien. — Die Aufführung unter der Leitung des Komponisten konnte' nur ein ungefähres Bild dieses monumentalen und anspruchsvollen Werkes vermitteln. (Die Ausfühfenden waren: Singakademie, Sängerknaben und Symphoniker sowie die“ Solisten Elsa Matheis, Patzak, Braun und Guthrie.)

Im großen Sendesaal des 'Oesterreichischen Rundfunks dirigierte Hindemith die Ouvertüre zu dem Ballett „Am o r u n d P s y c he“, fünf Männerchöre und die großartige S y m-phonie jn Es aus dem Jahre 1940, deren Bruckner-Nähe vom Komponisten nicht geleugnet wird. — Im Mozart-Saal sang Hilde Zadek, von Michael Gielen begleitet, die Neufassung ~ des

„M arienleben s“, das M u s i k v e r e i n s-quartett spielte das 3., das Konzerthausquartett das 5. und 6. Streichquartett sowie das Quartett für Klarinette, Violine, Violoncello und Klavier von 1938. Die Volksoper bereitet „Neues vom Tage“ vor, wodurch vielleicht die Staatsoper animiert wird, eines Tages doch noch Hindemiths Hauptwerk „Mathis der Maler“ einzustudieren . ..

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung