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Von und mit Paul Hindemith

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Im Großen Saal des Wiener Konzerthauses leitete Paul Hindemith das erste Konzert des Zyklus „Romantische Musik”. Auf dem Programm 6tanden: die Ouvertüre zu Ali Baba von tiert wurde), seclišf’”lieder aiiä Sr „M a r i e n 1 e b e n” von Hindemith und Bruckners 6. Symphonie.

Bereits in den Ja hire n 1922 23, mitten im hektischen, jazzbesessenen, in avantgardistischen Experimenten schwelgenden Deutschland, hatte Paul Hindemith, damals

27 Jahre alt, den aus 15 Gedichten bestehenden Zyklus „Das Marienleben” von R. M. Rilke vertont. Das Werk hatte Erfolg und machte auf die Zuhörer einen froßen Eindruck. Das bewog Hindemith, nicht etwa einen neuen Rilke-Zyklus zu komponieren, sondern sich zu fragen, ob er mit diesem Werk nicht nur etwas Gutes, sondern sein Allerbestes gegeben habe, das ein für allemal als gelungen beiseite gelegt werden könnte.

Ja, das gibt’s — oder gab’s zumindest einmal…

„Ich begann”, schreibt der Komponist in dem lesenswerten Vorwort zur Neufassung dieses Werkes, „ein Ideal edler und möglichst vollkommener Musik zu erschauen, das ich dereinst zu verwirklichen imstande sein würde, und ich wußte, daß von nun an das Marienleben mich auf diesem Weg leiten und mir zugleich als Maßstab für die Annäherung an das Ideal dienen würde.” 1948, während seiner Emigration, schloß Hindemith die weitgehende, und 2war im Sinne der Vereinfachung vorgenommene Umarbeitung seines 25 Jahre früher konzipierten Werkes ab. ln der Zwischenzeit hatte er auch begonnen, einzelne Lieder zu instrumentieren. Insgesamt liegen gegenwärtig sechs vor, von denen vier nach der ersten und zwei nach einer leicht überarbeiteten zweiten Fassung für Orchester gesetzt wurden. Unter der Leitung des Komponisten hat Sena J u r i n a c den schwierigen, in jeder Hinsicht anspruchsvollen Sopranpart gesungen. Technik, Stimme, Vortrag und Ausdruck waren von größter Vollkommenheit und unberührt von der unerträglichen Manieriertheit de Rilke-Texte, an denen auch Hindemith mit erfreulicher Unbefangenheit vorbeimusi- zierte. Auf diese Weise ist seine Musik dem Gegenstand näher gekommen als Rilkes Gedichte…

Vorbeimusiziert hat Hindemith als Dirigent freilich auch an vielen Stellen deir Bruckner-Symphonie. Man weiß, daß Hindemith Bruckners Musik besonders hochschätzt. Nur fehlt ihm, dem quicklebendigen „Musikanten”, der weite Atem, der diese Musik erfüllen muß, und die Ruhe, welche sie zu ihrer adäquaten Darstellung bedarf. Vieles, vor allem im ersten Satz, geriet zu flott, mit dem Ergebnis, daß der bisherige uns bekannte Geschwindigkeitsrekord um volle fünf Minuten unterboten wurde. Die Wiener Symphoniker haben das „Marienieben” sehr fein und klangschön begleitet. Bruckner-Symphonien haben wir von ihnen, unter anderen Dirigenten, schon eindrucksvoller gehört.

In der darauffolgenden T annhäii- ;er-Ouvertüre war die Hand des Dirigenten schon stärker spürbar: sie hatte olanz, Kraft und Feueir. Den zweiten Teil des Programms bildete Strawinskijs .Sacre du printemps”, der zwar, zumindest für Meisterorchester, nicht mehir die Schrecken von Anno 1913 hat, aber immer noch eine recht vertrackte Partitur ist. Solti hat sie mit klarer Schlagtechnik sehr energisch und sensibel interpretiert. Das Spiel der Philharmoniker war von be- nerkenswerter Intensität, Präzision und Wildheit, die einzelnen Partien dieser genialen und barbarischen Musik angemessen ist.

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