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Das Weltgefühl des Klaus Demos

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Klaus Demus läßt fast nichts von dem, was heute Geltung beansprucht, gelten. Wenige Sätze, und der Besucher ist in die Position eines Verteidigers hineingeglitten, wobei es gar nicht so wichtig ist, wen oder was er verteidigt - vor dem Urteil Klaus Demus' hat von der Literatur ebenso wie von der bildenden Kunst der Gegenwart so gut wie nichts, und des übrigen zwanzigsten Jahrhunderts nur sehr wenig Bestand. Wer auch einmal fünfe grad sein läßt, hat bei ihm verloren. Die Dichtung hat sich mit - oder bald nach - Hölderlin aus der Welt zurückgezogen. Zugleich sieht sich der Besucher aber auch verurteilt, den Part des rettungslos Unterlegenen zu spielen, denn konsequente Bigorosität des Urteils macht unangreifbar.

Es wäre also leicht, sich über den Unbedingten zu ärgern. Aber auch völlig unproduktiv. Denn er ist es ja, der den Preis der Exklusivität in der Münze der Eirfsamkeit entrichtet. Er verweigert sich dem Literaturbetrieb, jeder Anbiederung. Leute, die etwas von Lyrik verstehen, nennen seinen Namen mit Respekt. Die anderen, weit davon entfernt, ihn zu ignorieren, kennen ihn gar nicht. Deshalb sind auch all die Preise, mit denen Österreich, seine Dichter ehrend, sich selber ehrt, an ihm vorbeigegangen. Er trägt seine notorische Unausge-zeichnetheit wie eine Auszeichnung. Diesen Stolz kann er sich auch leisten. Denn wie immer man ihn lesen mag: Bei Klaus Demus ist jeder Gedanke, jede Empfindung, was immer als seine Essenz verstanden oder mißverstanden werden kann, Sprache. Meist klare, reine, mitunter dunkle, selten sperrige, immer eigenwillige und unverwechselbare Sprache.

Der junge Klaus Demus war einer der ersten Österreicher, die nach dem Krieg Picasso und andere Maler, deren Namen in Österreich damals Fremdwörter waren, aufsuchten. Auch als Kunsthistoriker - Demus war bis 1987 Kustos im Kunsthistorischen Museum - hat er sich vom 20. Jahrhundert ab- und der Vergangenheit zugewendet. Eine Renaissance-Haltung im ursprünglichen, un-

mißbrauchten Sinn des Wortes: Suche nach verlorenen Wurzeln.

Als Kunsthistoriker ist er ein unermüdlich Schauender, ein sich in Bilder Versenkender, der erstaunliche Entdeckungen macht. Seine These, im „Turmbau zu Babel" habe Pieter Bruegel nicht etwa ein an seiner schieren Größe scheiterndes, sondern ein in sich unmögliches Bauwerk und damit die Hybris des Strebens nach Vollkommenheit gemalt, stützt er damit, daß das aufgehende Mauerwerk senkrecht zu den Schrägen der sich um den Turm windenden Bam-pe steht.

Kürzlich erschien sein neuer Gedichtband: „Landwind". Der neunte seit „Das schwere Land" (1958). Das Lebensgefühl, das aus diesen Gedichten spricht, ist ein Weltgefühl. Himmel, Sterne, All kommen darin öfter vor als Menschen. Die Welt, dieser Gedanke drängt sich auf, hier ist sie Spiegel eines einsamen Ich. Sucht man ihr Letztes, Innerstes, findet man Sehnsucht nach Geborgenheit in einem Größeren, Ganzen - kindliche Sehnsucht, Menschheitssehnsucht, wie in dem Gedicht „In der Nacht":

Schweigend wie der Stein und irgendein Licht in der Nacht, das halb auf ihm liegt:

Fühlt er, weiß er?

Nicht einmal von sich träumt sein Selbst.

Doch ein Blick aus der Nacht trifft ihn, sieht ihn. Wer? Wen?

Uralt, und noch zu keinem Ende gekommen ists, das Ganze.

Demus' Gedichte sind auf Höheres bezogen, zielen auf Höheres, berufen sich auf Höheres und sind - auch dies wohl ein Grund, warum der Litera-

turbetrieb, dem sich Demus verweigert, auch seinerseits an ihm vorbeisieht - elitär, aristokratisch, auf eine antikische und sehr naturverbundene Weise (bei allem Vorbehalt gegenüber diesem abgeschliffenen Wort) mystisch und dem heute Gängigen sehr fremd. Demus ist der Vergangenheit zugeneigt: „Bergwälder auch bergen noch älteste Stege", auf denen Demus lieber als auf den öffentlichen Wanderwegen wandelt. Seine Gedichte verkünden keine Botschaft. Sie behaupten nichts. Sie geben dem Leser Gelegenheit, die Selbstgespräche eines Ich, oder dessen Gespräche mit den Göttern, oder dem All, oder den Bäumen, zu belauschen. Er mag darin seine eigenen erkennen oder nicht. Kann er das er nicht, werden sie ihm wenig geben.

Was heute so vielen Dichtern am Herzen liegt, die Gesellschaft, das politische oder politisch getönte Engagement im weitesten Sinne, wird hier völlig ignoriert. Gerade damit könnte sogar unsere Zeit ihren Nerv getroffen fühlen. Um es gar nicht hehr, doch deutlich auszudrücken: Auf den Fortschritt hat dieser Dichter wohl den Hut gehaut. Gerade damit ist er nicht allein, und dafür hat er gute Gründe, wenn es auch seine ureigensten, persönlichen sind. In seinem prononcier-ten

Draußenstehen ist tiefe Skepsis angesichts dessen, was sich drinnen tut, und die Traurigkeit enttäuschter Hoffnungen. In diesem Sinne ist Klaus Demus, wie immer einer dieses Wort verstehen will - „zeitgemäß", oder doch der Zeit sehr nahe.

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