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Demokratie und Märchenzauber

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„Die zwölf Geschworenen” im Akademietheater: viele kennen dieses Stück vom Film, manche von der Wiener Aufführung der Münchener Kammerspiele vor zwei Jahren. Reginald Rose schrieb es, erschüttert durch persönliche Erlebnisse als Geschworener in New York. Dieses für das Fernsehen verfaßte Werk, das der deutsche Drehbuchautor B u d j u h n bearbeitet hat, ist ein Lehrstück in Demokratie. Zwölf Geschworene versammeln sich an einem heißen Sommertag im Beratungszimmer eines New-Yorker Gerichtes, um möglichst schnell eine Neunzehnjährigen, der als Vatermörder gilt, abzuurteilen. Elf von ihnen sind Männer, Menschen, wie sie auch hierzulande die „Demokratie” bevölkern und den Übergang zur Diktatur vorbereiten: sie wollen möglichst schnell zu ihren Geschäften, Vergnügen, Hobbies weitergehen und den „Fall” erledigen. Ein einziger — in USA — erhebt sich gegen diese kompakte Majorität aus Trägheit, Borniertheit, Egoismus, Kurzsichtigkeit. Ihm steht als Hauptgegner ein aggressiver Bulle gegenüber, der den Tod des Jungen will, da er sich, unterbewußt, an seinem eigenen mißratenen Sohn rächen möchte. Für die Schreihälse, die jetzt wieder laut bei uns die Todesstrafe fordern, da sie mit ihren eigenen Verdrängungen und Komplexen nicht fertig werden, sei nachdrücklich das Studium dieses Mannes (von Heinz Moog gestaltet) empfohlen: sie können hier mehr über sich selbst erfahren, als ihnen lieb ist. Die Wiener Aufführung, von Joseph Glücksmann betreut, transponiert die harte, klare Auseinandersetzung in eine gepflegte, fast altösterreichische Atmosphäre. Robert Lindner ist ein weiser Hofrat als Laienrichter, Richard Eybner als Geschworenenobmani und Hans Thimig als alter Mann lassen ebenfalls das Österreichische stark hervortreten. Mehr inter nationale Typen verkörpern Kerry, Hae- nel, Jost. Janisch, Obonya. — Hoffentlich wird dieses Stück unseren höheren Schulen in reichem Maße zugänglich gemacht, mit dem zugehörigen politischen und soziologischen Kommentar an Hand der täglichen Vorkommnisse in Österreich.

Ferdinand Raimunds „Die unheilbringende Krone” hat, nach der Premiere 1829 und einer Reprise um 1900, erst im weltgewittrigen März 1944 in Wien eine Neuaufführung erlebt. Man schreckte vor dem Großen, Gewalttätigen, vor der Mischung von Shakespeare, Kleist, Calderon, Grillparzer und Vorstadttheater zurück. Nur ein kühner, leidenschaftlicher Atem vermag dies alles an sich zu reißen und in in einer Aufführung zu verschmelzen. ln der Neubearbeitung des Burgtheaters zeichnet Franz Theodor Cs ok or für den Text. PaulAngerer für die Musik, Rudolf Steinboeck für die Regie und Oskar Kokoschka für die Bühnenbilder und Kostüme. Kokoschkas Genie reißt am stärksten die ungleichen Elemente, die Götter der Antike, die Bösewichter der Tragödie und die Komödianten des Pawlatschentheaters in ein Furioso von Lichtem und Farbvisionen.

Im Reigen der 33 Mitspielenden stehen sich als scKarf umrissene Gestalten gegenüber: Albin Skoda als Feldherr Pha- larius, Heinz Woester als Fürst Hades und, als Mittlerin zum Menschlichen, Traumkönigin und Schutzgöttin, Judith Holzmeister als Lucina. Der antikischen Schicksals- und Schauerwelt inkorporiert und kontrastiert sich sehr glücklich Josef Meinrad als armer Dorfschneider Simpli- zius Zitternadel, Ernst Anders als Dichter Ewald. Sonderapplaus für Inge Konradi als sechzigjährige verjüngungssüchtige und lieblich verjüngte Alo , als Essig und öl. Stärkster Eindruck, nachwirkend: O. K.

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