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Ulla Hahn nimmt sich - nicht ganz überzeugend - in ihrem Roman "Unscharfe Bilder" eines heißen Themas an.

Die diversen Ausstellungen über die Verbrechen der deutschen Wehrmacht im Osten haben die Gemüter erhitzt und für anhaltende Kontroversen und Risse gesorgt, die sich nicht nur durchs Land - in Deutschland nicht viel anders als in Österreich -, sondern durch Familien und Generationen ziehen. Sehen die einen in den Ausstellungen die Beschmutzung der armen Soldaten, die ja nur ihre Pflicht getan haben, ist es für die anderen notwendige historische Aufarbeitung.

Das Schweigen brechen

In den Gesprächen, die zu diesem Thema geführt werden, wenn sie denn überhaupt geführt werden, scheinen die Fronten sich oft eher zu verhärten, denn zu erweichen - hier die jungen Fragenden, die sich in den Augen der ehemaligen Soldaten und ihrer Verteidiger als Ankläger gebärden, da die Schweigenden. Eine Situation, gegen die die angesehene Lyrikerin Ulla Hahn, selbst Jahrgang 1946, angehen möchte, in der Hoffnung, die Generationen wieder ins Gespräch zu bringen, die Jungen zum verständnisvollen Zuhören und die Alten endlich zum Reden.

Mit dieser offensichtlichen Motivation als Ausgangspunkt ist sogleich das Problem benannt, aus dem der Roman "Unscharfe Bilder" nicht entfliehen kann: das im Grunde pädagogische Anliegen ist allzu deutlich zu spüren.

Dabei ist das Szenario, was Personen und Anlass betrifft, durchaus gut gewählt. Am Anfang wartet der Leser noch gespannt, was es mit diesem alten Mann, einem sympathischen, pensionierten, einst überzeugten und leidenschaftlichen Lehrer, auf sich hat, der da in einem noblen Seniorenheim mit Blick auf den Elbstrom alt wird und sich über intensive Diskussionen und auf die Besuche seiner Tochter freut. Die eines Tages kommt und ihm seine Idylle brutal zerstört. Mit einem Katalog der Ausstellung "Verbrechen im Osten", den sie ihm mit den Worten "Schau dir das Buch bitte an. Dein Bild wirst du da ja nicht drin finden" hinwirft und ihn auffordert, doch endlich von jener Zeit zu erzählen, von der sie aus seinem Mund so gar nichts gehört hat.

Was folgt, sind Tage des Herumkreisens, in Gedanken und Worten. Zögernd und stockend, zunächst noch ganz widerwillig beginnt der Pensionist dann doch zu reden, bis er schließlich schon geradezu besessen erzählen will, als ob er darauf nur gewartet hätte, die Bilder, die in seinem Inneren verborgen waren, endlich in Worte fassen zu können, wobei er das, worauf die Tochter wartet - denn sie wartet ganz offensichtlich auf etwas Bestimmtes - zunächst noch auslässt. Sie weigert sich, in die bedrängenden Bilder einzusteigen, die er ihr entgegenschüttet, er weigert sich, zum Kern ihrer Frage zu kommen.

Anklage und Verteidigung

Die Formen des Umgangs mit der Vergangenheit, die hier aufgezeigt werden, sind typisiert. Hier die penetrant anklagenden Fragen, die bis zum Krankmachen führen, dort zunächst das Ausweichen in das Kollektivschicksal, die Darstellung von Begründungen, warum man zwar immer dagegen, aber doch immer dabei war.

Das entworfene Szenario - übrigens sehr reduziert und fast ausschließlich auf Vater und Tochter beschränkt, nur ab und zu dringen andere Gestalten in die Handlung - scheint insofern plausibel. Die Autorin entgeht aber letztendlich der Gefahr nicht, am Ende doch die Differenziertheit der Harmonie zu opfern.

Konstruiert

Zu konstruiert erscheint auch der latente Hinweis auf die Eheprobleme der Tochter, offensichtlich Zeichen dafür, dass auch die Nachkriegsgeneration einiges auzuarbeiten hat und das Schweigen brechen soll.

Die Kritik an der überdeutlichen Konzeption dieses Romans sollte allerdings nicht über den Vorteil hinwegtäuschen, den das Buch in seiner Wirkung haben könnte: das Thema ins Gespräch zu bringen. Und damit wäre das hehre Anliegen der Autorin auch gelungen, die den Roman immerhin mit den Worten enden lässt: "Miteinander reden, die rechten Worte finden. Beide Seiten. Der Wahrheit so nah wie möglich. Das Reden würde nicht enden."

Unscharfe Bilder

Roman von Ulla Hahn

Deutsche Verlags-Anstalt

München 2003

278 Seiten, geb., e 19,50

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