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Drei Tage Im

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Wie im Vorjahr, so rollte auch heuer der „Sonnenzug” durch Österreich, Südbayern und zum erstenmal auch durch Slowenien. Überall wurden die 380 körperbehinderten Menschen herzlich empfangen, gerade in Jugoslawien, wo Frau Sozialminister Zora Tomič in Begleitung des österreichischen Generalkonsuls und anderer Persönlichkeiten im Zug von der Grenze bei Spielfeld bis Jesenice an der Kärntner Grenze mitfuhr. Beim Abschied in Jesenice hatte Frau Minister Tomic angedeutet, daß auch ein jugoslawischer „Sonnenzug” einmal nach Österreich kommen könnte. Bei der Ein- und Ausreise überreichten Schulkinder Sloweniens den „Sonnenzug”-Teilnehmern Blumen. Viele Fähnchen in den jugoslawischen Landesfarben blieben als Andenken in den Waggons. Soweit sie nicht der Fahrtwind beim „Winken” zerfetzt hat, stehen sie jetzt in den Krankenheimen und Wohnungen und erinnern an schöne Stunden in unserem südlichen Nachbarland.

Ein kleines Erlebnis am Rande: In Cilli traf eine 70jährige Reiseteilnehmerin nach 33 Jahren ihre Schwester wieder — wenn auch mir für die wenigen Minuten während des Aufenthaltes in der Station.

Der „Sonnenzug” bestand aus elf Waggons, davon neun Liegewagen. 80 Helferinnen und Helfer des Arbeiter-Samariter-Bundes Österreichs, des Malteserhilfsdienstes, des Roten Kreuzes und der Wiener Evangelischen Stadtmission konnte das Komitee des Jugendvereins „Edelweiß” mit seinem rührigen Präsidenten Erik Engel für diesen guten Zweck vereinen. Acht Ärzte, vier Schwestern vom Göttlichen Heiland, der Krankenseelsorger der Erzdiözese Wien P. Dr. Bolech und der evangelische Pfarrer Edgar Walter standen den Körperbehinderten zur Verfügung. Die Organisation klappte ausgezeichnet und Dank dem energischen Leiter der Aktion, Landesrettungskommandant Johann Kutschern, wurden die Fahrziele überall pünktlich erreicht, ja bei der Ankunft in Wien mußten wir sogar noch einige Minuten auf die Einfahrt in den Westbahnhof warten!

Jede Station der „Sonnenzug”- Fahrt weckt Erinnerungen. Der Abschied in Wien (Südbahnhof) bei herrlichem Sonnenschein glich einem Staatsakt. Viele Minister, an der Spitze Bundeskanzler Klaus sowie Wiens Bürgermeister Marek waren erschienen. In jeder Station gab es einen Empfang. Überall kamen die Honoratioren des Ortes, Bürgermeister und geistliche Würdenträger. Überall spielten Musikkapellen in Trachten. Und das Wetter spielte auch mit. Sonnenschein begleitete uns durch die Steiermark, Slowenien, Kärnten, Tirol und Bayern. Unwillkürlich denkt man dabei an die herrliche Fahrt von Innsbruck hinauf zur Martinswand nach Mittenwald, Garmisch-Partenkirchen, Kempten und Lindau. Auf dem Bodensee gab es aber schon Sturmwarnung und die ersten Regentropfen. Schön wurde es dann wieder auf der Rückfahrt in Oberösterreich.

Wir lernten viele Einzelschicksale der Teilnehmer kennen. Da denke ich an den Feuerwehrmann aus Krems an der Donau. Wegen eines brennenden „Mistkistels” verlor er beim Einsatz beide Beine, als das Feuerwehrauto bei der Fahrt verunglückte und der Mann zwischen Wagen und einem Baum eingeklemmt wurde. Dabei ist Herr Josef U. aus Krems ein fleißiger Mann. Er fertigt sehr hübsche Tassen in Holz- einlegetechnik… „Ich habe schon 16 Sessel und sechs Wagen kaputtgemacht”, sagt ein anderer Invalide. „Es gibt Leute, die sagen, wenn ihr nicht herauskönnt, so bleibt daheim” — und wieder ein anderer; „Man kann als Körperbehinderter nicht sagen, welche Freude man hat, beim Sonnenzug mitfahren zu können!” Überschwenglich ein jüngerer Mann mit einem langen Blick durchs Abteilfenster: „Ich habe zu meiner Frau gesagt, am liebsten würde ich dir einen ganzen Berg heimbringen. Wissen Sie, sie kommt nämlich wegen mir auch nicht hinaus und wäre gerne mitgefahren …”

Text und Photos:

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