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Ein Engländer und eine Engländerin

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T. S. Eliot: „Ein verdienter Staatsmann“ im Volkstheater. Die Bühnenstücke Eliots sind didaktische Werke, Lehrstücke, in denen sehr deutlich eine Moral gelehrt wird, wobei es sich im wesentlichen um eine Verbindung des antiken Schuldbegriffes mit christlicher Erfahrung von Schuld und Sünde handelt. Der Mensch ist ein Wesen, das der Täuschung und Ent-Täuschung, der Auflösung der Täuschung, fähig ist. Wenn Eliots Stücke einen eigenen Zauber auszuüben vermögen, einen Charme, der sie nicht als nackte Moritat ausweist, dann deshalb, weil der Dichter Eliot sehr wohl imstande ist, in Poesie zu gewanden, was bitterer Kern ist. Dazu kommt die Ironie, die Überlegenheit eines Mannes, der um die Schönheit der hinfälligen Dinge und Menschen weiß. Immer geht es um Lebenskonflikte, die jeden von uns betreffen. Der „verdiente Staatsmann“, Lord Claver- ton, in dessen Gestalt Züge der Persönlichkeit Baldwins durchschimmern, weiß längst, daß er irgendwie ein „Versager" ist. „Ich verbrachte mein Leben mit Versuchen, mich selbst zu vergessen, Versuchen, mich mit der Rolle zu identifizieren, Die ich mir gewählt hatte, und je länger wir uns verstellen, Desto schwerer wird es, das Verstellen aufzugeben, Von der Bühne abzutreten, in die eigenen Kleider zu schlüpfen Und aus uns selbst zu sprechen.“ — Ein Jugend- freund und eine Jugendfreundin, die plötzlich auftauchen, helfen ihm, dem früheren Staatsmann, dem Manne, kurz vor dem Tode, sein ganzes Menschsein wieder zu erfahren: das ist für ihn beglückend, in der Bitterkeit der Selbsterkenntnis steckt ein seligmachender Kern: Heil, Heilung, letzte Öffnung nach innen hinein, ins Wahre, Reine. Mit sich ins reine gekommen, geht er offen in den Tod.

Bereits die wenig poetische Übersetzung durch Erich Fried läßt die Verse und Gedanken untergehen in einem nichtpoetischen Brei. Der völlige Ausfall der Regie — es ist, als ob den Schauspielern kurz vor Beginn der Premiere ein Zettel in die Hand gedrückt worden wäre, „Bitte, stellen Sie sich schnell auf die Bühne, Sie links in die Ecke, Sie rechts in die Ecke“, tut ein übriges, um Eliot ohne Gebühr lächerlich zu machen. Da schiffen sie nun, auf der fremden See, die Schauspieler. Ach nein, sie stehen nur da. Hans Frank versucht als Lord Claverton teilweise eSÜttS1 AJleMgang, uch’;’’fr Strecke. Christi M a r d a y n überträgt eine Jugendfreundin des Lords ins Wienerische. Ernst Meister als ungeratener Sohn Michael, Rudolf Strobl als Jugendfreund Gomez haben eigene Akzente beigesteuert. Blaß Julia Gschnitzer und Sigurd Lohde. Es ist bekannt, daß Eliot sehr schwer zu spielen ist. Mußte dies so drastisch demonstriert werden?

Joan Morgan: „Der Aktschluß (Square Dance)“: im Kleinen Theater der Josefstadt. Eliots „Staatsmann“ erschien 1959, dieses Drama seiner Landsmännin kam zwei Jahre zuvor bei den Edinburgher Festspielen heraus. Die deutsche Bühnenfassung besorgte Oskar W i 11 n e r, Edwin Z b o n e k führt Regie. Ein interessantes Stück, eine interessante Aufführung. Es liegt nahe, in Klischees von dem Protagonisten (der selbst einen Schrecken vor Klischees bekundet) dieses Dramas zu sprechen: dieser junge Mann Adrian (sehr lebensnah, gegenwartsnah von Klaus Löwitsch verkörpert) gehört zur sogenannten „skeptischen Generation“, zu den beatniks, zornigen jungen Leuten, er ist dies und einiges andere dazu. Es wird schon stimmen, daß ihm zuerst und zuletzt Lebenskraft, Liebes- kraft fehlt. So wird er, der überaus sparsam mit seinem Lebensfunken umgehen muß, zum Verderben für die, die sich ihm hingeben Das Mädchen Dobbin (Renate Berg) geht an ihm zugrunde (oder doch mehr an sich selbst?), die ältere und reifere Frau Anne (Ursula Schult, man freut sich jedesmal neu, sie auf der Bühne zu sehen) geht durch die Wirrnis ihrer Begegnung mit ihm hindurch, ihre letzten Worte an ihn — es sind auch die letzten des Stückes — lauten: „Dir kann nicht geholfen werden." Hier könnte das Stück von neuem beginnen, eine Dimension tiefer. Den Zuschauern muß dies genug sein: hier steht wirklich ein Typus unserer Zeit auf der Bühne, hier werden Lebensfragen einer jungen Generation in wenigen Worten wirklich behandelt. Die liebenswerten „Umstände" um die beiden unglücklichen Personen, der alte versponnene Giacchi (Martin Costa), der vor dem Blitzkrieg über London mit gläsernen Briefbeschwerern handelte, und der Exmajor Bill (Albert Rueprecht) lassen die Düsternis in ihnen, durch diese ihre sonn- farbige Umrandung, nachwirkend wahr- aHififhm

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