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Eine Rede uber die Rede

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Von einem, zu dessen Amtspflichten die öffentliche Rede gehört, die Rede in ernsten Dingen, bei denen es oft um viel, um ganze Menschenschicksale geht, wollen Sie, Versammelte, Grundsätze füp den Redner, Richtweiser aus Erfahrung und gewonnener Lebensweisheit hören.

Lassen Sie mich mit dem Einfachen beginnen, da wir ja nicht von den Reden eines Gelehrten in wissenschaftlichen Dingen sprechen wollen. — Leicht ist zu wissen, was zu sagen ist. Zu sagen ist das, was alle denken. Die Schwierigkeit liegt nur darin, in Worte zu bringen, was alle fühlen und immer wird die Wahrheit sich schließlich leichter durchsetzen als die Lüge. Zu sprechen haben Sie so — um es österreichisch zu sagen: „wie Ihnen der Schnabel gewachsen ist“. Der Redner soll nicht ein anderer scheinen wollen, als er ist. Haben Sie klar gedacht, so kann es Ihnen nicht schwer fallen, die richtigen Worte zu finden. Kleiden Sie Ihre Gedanken säuberlich in ein reines Gewand. Treten Sie deshalb, solange es geht, nicht ohne Vorbereitung vor Ihre Zuhörer. Kleben Sie nicht an einem Aufsatz, den Sie sich gemacht haben; haben Sie nicht das Gedächtnis, eine Rede auswendig zu lernen, so gewöhnen Sie sich, nach Schlagworten zu sprechen. Ein schlechter Feldherr ist der, der seinen Gegner für dümmer hält als sich selber. Wenden Sie also Ihren Scharfsinn daran, alle Einwände aufzusuchen, die ein Gegner vorbringen könnte. Horchen Sie in die Leute hinein, damit Sie wissen, was die anderen sagen und bereiten Sie sich Ihre EAtgegnung vor. Können Sie nicht Ihre Kuhmagd für Ihre Rede interessieren, so ist sie nichts wert: denn eine gute Rede muß jedermann packen. Tüfteln Sie solange herum, bis Sie alles in die einfachste Form gebracht haben; denn alles Große und Wahre-ist einfach. Nehmen Sie die Bergpredigt als unerreichbares Muster; sie ist tief wie ein Meer und durchsichtig wie ein Glas reinen Wassers. Was* der einfache Sinn nicht fassen kann, taugt nicht fürs Volk; aber es gibt keine Wahrheit, die nicht in schlichten Worten gesagt werden könnte.

Sprechen Sie die Sprache des Volkes, wenn Sie das Schriftdeutsch nicht vollständig beherrschen, werden Sie aber nie gemein und verstärken Sie nicht die Mundart über deren beste Sprechart hinaus. Beherrschen Sie aber das Schriftdeutsch; so sprechen Sie es so, daß es den Erdgeruch nicht verliert.Sprechen Sie es nicht so, wie ein Ausländer es spricht, sprechen Sie es wie ein Österreicher und Landsmann. Bauen Sie darauf, daß die Leute diejenigen, die ihre Sprache zu sprechen verstehen, denen vorziehen, die sich in unverständlichen und geschwollenen Redensarten ergehen.

Denken Sie daran, daß es einen Meister ohne Übung nicht gibt. Üben Sie stets, wenigstens für sich. Sie können beim Spazierengehen Ihre Rede den Spatzen halten; passen sie nicht darauf auf, so tut es Ihnen nicht weh.

Hören Sie gern den Rat erfahrener Männer, aber ändern Sie nichts, ohne zu wissen warum. Bleiben Sie endlich fest, nicht bloß dem Freund, sondern vielmehr dem Feind gegenüber. Wählen Sie nie fürs Einfache hochtönende Worte, reizen Sie nie durch die Form, wenn der Inhalt genügt, den Gegner zu werfen. Seien Sie nie bewegter durch Ihre Rede, als Ihre Zuhörer sein können. Toben Sie nicht zur Unzeit, aber werfen Sie Ihre Persönlichkeit in die Waagschale, wenn es der Sache den Sieg bringt. Gehen Sie stets so vor, daß Sie, die nicht zurückstoßen, die Sie noch gewinnen wollen. Haben Sie die Leute durch ein stärkeres Wort verblüfft, so sagen Sie ihnen auch, wie sie es gefunden haben. Beachten Sie wohl, zu wem Sie sprechen, aber kennen Sie keine Menschenfurcht. Fruchtlos jemand zu kränken, komme Ihnen nie in den Sinn. Müssen Sie mit dem Messer reden, so vergessen Sie nicht den Balsam eines freundlichen Wortes. Stellen Sie die Sache über das eigene Ich und ehren Sie den Gegner für eine ehrliche Uberzeugung. Greifen Sie nie zur Keule, wo ein Scherzwort ausreicht, den Gegner zu entwaffnen.

Nehmen Sie Ihre Aufgabe ernst, aber verlieren Sie nie den Humor. Offenbaren Sie auch Wort und Verhalten, daß Sie für Ihr Volk alles erreichen wollen, aber nichts für sich selbst.

Sagen Sie nicht alles, was Sie wissen. Was sich in dreißig Minuten nicht sagen läßt, bringen Sie niemandem in zwei Stunden bei. Überwinden Sie Ihren Gegner durch Gründe, aber erschlagen Sie nicht Ihre Freunde durch die Länge der Rede. Überreden sei nicht Ihr Ziel, zu überzeugen Ihre edelste Aufgabe. Ist das Reden nicht ganz Ihre Sache, so helfen Sie mit der Tat; durch Reden sind wenige selig geworden, viele aber durch gute Werke.

Wenden Sie jeden Mißerfolg zur erneuter Belehrung, auch die besten sind gesteinigt worden. Beifall allein erfreue Sie noch nicht; Beifall ist billig, jemand zur Leistung, zur Tat, zum Opfer zu führen ist alles.

Sprechen Sie nicht wie der Pfarrer, wenn Sie in der Schenke reden; aber Christus der Herr sprach auch zu Zöllnern und Dirnen. Jeder Ort verlangt auch seine besondere Redeweise. Fürchten Sie nie, sich zu wiederholen, die Wahrheit ist stets richtig. Ist die Wahrheit zuweilen bitter, so machen Sie durch Ihre Rede sie schmackhaft. Ein Redner, den wir achten, überzeugt uns schneller.

Schwere Zeiten stehen uns noch bevor; das Alte ist tot und das Neue zu jung. Sie haben einen festen Grund unter den Füßen, wenn Sie eine unerschütterliche christliche Überzeugung haben. Ein schlechter Redner sieht durch die Tiefe seiner Überzeugung stärker als ein Schönredner. Aber zeigen Sie Ehrfurcht, wo Sie das Große, das Gut der Väter und die christliche Weisheit behandeln. Niemand ist zu klein, eine Fackel zu tragen und keine Stimme zu schwach, einzufallen in den Chor derer, die unerschüttert durch Widerspruch und Not die Wahrheit und die christliche Gerechtigkeit verkünden.

Treten Sie tapfer vor die Welt; Gott hat sie für uns erschaffen. Bleibt uns Gewissen und Kraft, winkt uns auch der Triumph. Haben die Engel sich den Himmel erobert,so müssen wir Menschen freien Willens uns Erde und Himmel erobern. Mit unsern Reden helfen wir die Tat bereiten, die unserem Volke das dauerhafte friedliche Haus baue.

Lassen Sie einst Ihre Kinder mit Stolz verkünden: „Unser Vater hat daran gebaut!“

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