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Fahrt zu den Ituri-Pygmäen

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Am 5. Oktober 1949 flog der bekannte Pygmäenforscher P. Dr. Paul Schebesta von Rom nach Irumu in Belgisch-Kongo, um von dort aus seine dritte Forschungsreise zu den Ituri-Pygmäen zu unternehmen, auf der noch restliche linguistische und mythologische Fragen zu klären sind.

„Gefahren auf Reisen“ — ein Pauluswort, das Dr.P. Schebesta seinem ersten Reisebericht an die Spitze stellt, um den unfaßbaren Unterschied zu zeigen, den der Reiseverkehr in den 2000 Jahren genommen hat; „Rom—Athen— Kreta“: „paulinischeStrecken“,ehedem inMo- naten und Jahren unter unsäglichen Anstrengungen und Gefahren durchwandert, heute in Stunden in den bequemen Fauteuils der Sobe- laire-Maschine überflogen. Schon liegt der heimatliche Erdteil zurück, die afrikanische Küste drängt sich entgegen — Kairo wird überflogen und die unübersehbare Strommündung.

Der Flug über das Nildelta war von einzigartiger Schönheit. Wie ein grüner Garten Eden lag das Land unter uns, in quadratische und rechteckige Felder geteilt, einem Schachbrett gleich, das in allen Farben schimmerte. Dorfschaften, Flecken, Städte wie Nester an 'den Wasserkanälen gelagert. Ein gesegneter Landstrich; man versteht, daß Ägypten trotz seines Wüstencharakters 2H Millionen Einwohner ernährt, davon 2 Millionen in Kairo allein.

Gegen 6 Uhr abends landeten wir auf dem Flugplatz von Heliopolis. Der Horizont war in die dämmerige Glut der Wüstenbeleuchtung getaucht. Das Mammuthotel, in dem wir Reisende abstiegen, war in besseren Zeiten entstanden, als noch Touristen aus Europa und Amerika in Scharen herbeiströmten. Jetzt gähnen die Prunkräume in trostloser Leere. Passagiere der verschiedenen Fluglinien scheinen die einzigen Gäste zu sein.

Am Morgen des 6. Oktober führte uns zu-, nächst ein Autobus durch die Stadt, ein einheimischer Dolmetscher in schlechtem Französisch machte auf die Sehenswürdigkeiten aufmerksam. Wir überquerten den Nil und fuhren zu den Pyramiden von Gizeh hinaus. Als ich die Sphinx vor 24 Jahren zum erstenmal sah, ragte nur noch ihr Haupt aus dem Sand. Ganz anders bietet sich ihr Bild jetzt, da man vor ihr eine ganze Tempelanlage ausgegraben hat und sie nun in ihrer ganzen Mächtigkeit enthüllt ist. So macht sie auch nicht mehr den Eindrude des Rätsel- und Fabelhaften. Vor einem Menschenalter konnte man hier mit einem Dragoman alles bequem und in Ruhe betrachten. Jetzt stehen bewaffnete Polizisten an allen Edeen und Enden und geben den Reisenden nur einen schmalen Weg frei. Das Romantische ist gewichen, seitdem die Sphinx erwacht ist. Photographen und Kameltreiber verfolgen uns, und drei Dominikaner-Missionsschwestern lassen sich hoch zu Kamel knipsen...

Mittags ging unsere Fahrt weiter. Unser großer Vogel trägt uns über die Wüste; weit breitet sich die ungeheure Sandfläche aus, nur' von den fernen Horizonten begrenzt. Die Thebais? Ich schaue nach einer Oase aus, nach einem Dattelpalmenhain, die den Einsiedlern Paulus und Antonius ihre magere Winterkost lieferten. Aber die Wüste ist weit und' breit ohne Quelle und ohne Grün. Kein anderer Vogel als unsere Sobe- laire durchfliegt die Luft.

Am Nachmittag erreichten wir die Nillandschaft bei Khartum. Das Flugzeug wird hin und her geschüttelt, so daß es Luftkranke gibt. Von dem Hinausstarren in die Wüstenlandschaft ermüdet, fiel ich in Schlaf. Als ich erwachte, lag unter uns schon Khartum. Ein herrlicher Anblick: Lehmhäuser in der Wüste ohne Baum und Strauch und auf der anderen Seite — offenbar die Europäerstadt — weiße Häuser, in Grün gebettet. Die Landung erfolgte langsam bei stets zunehmender Hitze. Als wir ausstiegen, rann uns schon der Schweiß in Strömen herab. Auch das lauwarme Bad im Hotel am Ufer des Nil gab keine Erfrischung.

Am nächsten Morgen fliegen wir schon in aller Frühe ab. Das Landschaftsbild ändert sich nun. Der Nil teilt sich in mehrere Arme, erhält zahlreiche Zuflüsse. Er durchfließt in vielen Windungen die grüne, von dunklem Baumwuchs durchzogene Steppe. Ein dunkler Streifen des Galeriewaldes macht den Eindruck eines gewaltigen Python. Noch schimmert der Nil rosenrot herauf. Aber bald verhüllt dichte Dunstschicht den Ausblick. Unter uns brütet die Tropensonne. Was für Gedanken machen sich wohl die'an das Nil.ufer eilenden Schilluk und Nuer über den Riesenvogel in der Luft? Um 11 Uhr landen wir in Juba. Noch zwei Stunden nach Irumu ...

Endlich am Ziel. Welche Überraschung! In Irumu erwartete mich Pere Mayens von der Mission Badiga. Auch mein früherer Boy Mu- schenzi war zur Stelle. Unzuverlässigkeit und grenzenlose Treue waren vor mehr als zwanzig Jahren seine hervorstechendsten Eigenschaften. Wie sich das zusammenreimt? Als ich damals mit einem Kongodampfer abfuhr, war Muschenzi wie gewöhnlich zu spät gekommen, warf sich aber, kurz entschlossen, ins Wasser, ohne den Dampfer zu erreichen, da er — nicht schwimmen konnte. Er wurde aber herausgezogen und erklärte seelenruhig, er wisse, daß ihm nichts geschehen könne, da seine Mutter für ihn ständig den Ahnen opfere. Dann machte er sich auf und suchte mich kreuz und quer durch den Urwald, bis er mich glücklich gefunden hatte. So ließ er es sich denn auch jetzt nicht nehmen, nach Irumu zu kommen, als er von meiner Ankunft gehört hatte. Leider mußte ich Erfahren, daß mein zweiter Boy Nsikumbiri schon tot ist.

. Nun sitze ich in Badiga, 25 km von Irumu. Montag, den 10. Oktober, geht es in den Urwald ...

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