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Frauen ohne Bedeutung

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Die zu Unrecht viel verleumdete Königin Christine, die nur von ihrem achtzehnten bis zu ihrem achtundzwanzigsten Lebensjahr über Schweden herrschte, packt durch eine Fülle prägnanter Eigenschaften. Sie besaß Mut, Energie, zeigte sich ausdauernd bei körperlichen Strapazen, sie umgab sk-h mit prominenten Männern des Geisteslebens, disputierte nächtelang über das Alte Testament, wußte, wie behauptet wurde, mehr über Frankreich als die Gelehrten der Sorbonne und der Academie Francaise zusammen. Zahlreiche kluge Aussprüche sind erhalten, die ihre geistige Vitalität, erweisen. Nichts davon kennzeichnet die Titelgestalt in Strindbergs Schauspiel „Königin Christine“, das derzeit im Burgtheater aufgeführt wird.

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Die zu Unrecht viel verleumdete Königin Christine, die nur von ihrem achtzehnten bis zu ihrem achtundzwanzigsten Lebensjahr über Schweden herrschte, packt durch eine Fülle prägnanter Eigenschaften. Sie besaß Mut, Energie, zeigte sich ausdauernd bei körperlichen Strapazen, sie umgab sk-h mit prominenten Männern des Geisteslebens, disputierte nächtelang über das Alte Testament, wußte, wie behauptet wurde, mehr über Frankreich als die Gelehrten der Sorbonne und der Academie Francaise zusammen. Zahlreiche kluge Aussprüche sind erhalten, die ihre geistige Vitalität, erweisen. Nichts davon kennzeichnet die Titelgestalt in Strindbergs Schauspiel „Königin Christine“, das derzeit im Burgtheater aufgeführt wird.

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Nun faszinierten diesen hypersensiblen Schriftsteller im Leben vor allem intellektuelle Frauen. Da wäre es gerade für ihn ein ergiebiger Vorwurf gewesen,- eine intellektuelle Herrscherin darzustellem, die einen Aufschwung der Wissenschaften und Künste initiieren könnte, aber in eine ihrem Wesen konträre, und zwar prekäre politische Situation gerät. Statt dessen führt er Christine als launisches, ichsüchtiges Weibchen vor, das mit den Männern sein Spiel treibt. Dies allein wäre billige Konvention. Ihn lockte es nun offenbar, dieses Spiel bei einer Königin zu zeigen, bei der es mehr Spannung besitzt, sich stärker auswirkt, den Staat in bedrohliche Lage bringt. Das Gieren der Liebhaber und Hofschranzen nach der Gunst der Herrscherin gibt dabei einen guten Ein-^ blick in einen Sonderbereich der menschlichen Seele. Dramaturgisches Handwerk klappert am Schluß: Als sich Christine ernstlich verliebt, von ihrem Kätzchenspiel ablassen würde, muß sie abdanken. Das ist alles. Nicht viel.

Unter der Regie von Leopold Lmdt-berg breitet sich auf der Bühne bei sorgsam abgetöntem Spiel nordische Kühle aus. Ein kahler Riesenraum Ambrosius Humm vereint alle Schauplätze. Leider entartet der letzte Akt mit dem geplanten Liebesfest im Pavillon zu Revuegschnas, die Szene mit dem „sonderbaren Volk“ wird stückwidrig ins Surrealistische gehöht. Mißverstehen einer Regieanweisung. Sämtliche Rollen sind gut besetzt. Sonja Sutter zeichnet die Gestalt der Christine überzeugend durch, besitzt aber zu wenig Faszinationskraft. Joachim Bißmeier erweist als ihr Geliebter Klas Tott herbe Jugendlichkeit. Klausjürgen Wussoio gibt dem verabschiedeten Geliebten de la Gardie bei aller Geschmeidigkeit etwas leicht Verschleiertes. Pdul Hoffmann hat als Kanzler Oxenstjerna die Überlegenheit des alten Staatsmannes, die Gestalt des späteren Königs Karl Gustav erhält durch Erich Eberle die erforderlichen satten Farben. +

Die Paradoxie gehört, wie dies C. G. Jung formulierte, sonderbarerweise zum höchsten geistigen Gut, nur sie vermöge die Fülle des Lebens andeutend zu fassen. In Oscar Wildes Schauspiel „Die Frau ohne Bedeutung“, das derzeit im Theater in der Josefstadt zu sehen ist, ergeht sich Lord Illingworth bis zur Mitte des Stücks und, gemäßigter, darüber hinaus in Apercus dieser Art. Höchstes geistiges Gut? Nicht gerade, es kam auf das Funkeln der amüsant-mokant vorzutragenden Aussprüche an. Funkeln sie noch? Alles Paradoxe steht in Widerspruch zu herrschenden Meinungen und bezieht daraus seinen Reiz. In diesem Stück hebt es sich von den Anschauungen einer aristokratischen Schicht oberflächlichen Müßiggangs, von der Meinung von Drohnen ab, für die es als nicht schicklich galt, den Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Da es diese Ansichten und ihre gesellschaftlichen Voraussetzungen bei uns längst nicht mehr gibt, hat der geistreiche, scharf geschliffene Widerspruch dagegen viel an Glanz eingebüßt.

In den glitzernden Schaum der Konversationsszene setzte Wilde — in abermaligen Widerspruch, aber nun zur Leichtfertigkeit des Lord Illingworth — das Schicksal der Mrs. Arbuthnot, die dieser elegante Snob einst verließ als sie von ihm Mutter wurde. Mrs. Arbuthnot ist zwar keine Frau von Bedeutung, aber ein aufrechter Mensch. Und da nun gibt sich Wilde geradezu einen Stoß zur Moral hin, die ihm ja gar nicht sehr liegt, deshalb übersteigert er sie da zur moralischen Edelschnulze. Spielt man diese vier Akte, ist dies nur gerechtfertigt, wenn man über Schauspieler von darstellerischer Brillanz verfügt. Das ist aber keineswegs der Fall. Unter der soignierten Regie von Rudolf Stein-boeck hat zwar Vilma Degischer das echte Gefühl, das Leidende wie das Empörte der Mrs. Arbuthnot, dem glatten Lächeln des Hans Holt als Lord Illingworth glaubt man jedoch nicht eines der Apercus, da fehlt alles geistig Facettierte. Aus der Rolle der Lady Hunstanton wäre ungleich mehr herauszuholen als es Erna Katrhel gelingt. Geprägter wirkt Grete Elb als Lady Caroline. Passable Leistungen bieten Eva Kerbler als mondäne Mrs. Ollonby, Johanna Thimig als Amerikanerin Miß Hester, Christian Futterknecht als Sohn der Mrs. Arbuthnot. Typisches England ist in den Bühnenbildern von Otto Niedermoser zu spüren. Die vorzügliche Bühnenfassung von Ernst Lothar entfernt alles allzu Veraltete.

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