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Friedrich Heer

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Als erste der Wiener Künstlervereinigungen hat der „Neue Hagenbund“ in der Secession seine Frühjahrsausstellung eröffnet. Ihr Niveau liegt, im ganzen genommen, höher als im Frühjahr des vergangenen Jahres; es herrscht Frische und Lebhaftigkeit, in die sich verschiedentlich freilich auch Grobheit, fast rustikal Töne und eine gewisse Kraftmeierei am falschen Ort mischen. Der Gesamteindruck ist angenehm — man hat ein wenig das Gefühl, in einen vergnügten Kirtag hineingeraten zu sein, der mit Unbefangenheit und etwas jugendlichem Temperament gefeiert wird. Derlei wird hoffentlich nicht zur Regel werden, aber einmal zur Abwechslung ist es ganz nett. Die Langeweile geistert ohnehin durch allzu viele Wiener Ausstellungen. Den einzelnen Bildern Zettelchen anzuhängen, auf denen ein kurzer Kommentar steht, der den Besucher zu genauerer Betrachtung reizt, ist gewiß kein schlechter Einfall. Das sollte beibehalten, in Zukunft aber etwas geschickter gemacht werden — Pathos in Schreibmaschinenschrift wirkt leicht geschmacklos.

Dies der „Neue Hagenbund“. Nun zu seinen Mitgliedern: Der begabte Franz Lukas bedürfte dringend höherer Selbstdisziplin, will er nicht demnächst vor lauter Vergnügen an landschaftlichen Schönheiten in den Kitsch rutschen. Karl Bednariks abstrakte Komposition ist etwas stärker, aber doch nicht viel anders als die, welche er früher gezeigt hat. Rudolf Richly hat eine „Dorflandschaft“, die interessant ist — ein vorläufiger und vielleicht aussichtsreicher Versuch, ins Traumhafte einzudringen. Der Ehrenpräsident des Bundes, Carry Hauser, setzt seine bemerkenswerten Anstrengungen, religiöse Motive zu gestalten, fort — es ist zu hoffen, daß man ihm die Freskoaufträge gibt, die ihm zukommen. Das einzige Bild, das Elisabeth Stemberger in dieser Ausstellung hat, gehört nicht zu ihren besten; es scheint, als ob seine Komposition verunglückt wäre. Wenn Anton Daubinger weniger Farbtuben auf seinen Leinwanden ausdrückte, könnte man den Umfang seiner Begabung abschätzen; jetzt ist das kaum möglich. Franz Luby kreuzt Volkskunst und Surrealismus; was dabei herausschaut, hat merkwürdig ausgefallene Reize und ist eine Art von surrealistischer Marterlmalerei, der man sogar ein gewisses Maß an Sympathie entgegenbringen kann. Auf den Spuren einiger Art-Club1„Avantgardisten“ wandelt Ernst K o f 1 e r, aber er macht es mit Geschmack und einer Intelligenz, die erwarten läßt, daß er demnächst im eigenen Garten Blumen anpflanzt; sein Gobelinentwurf ist reizvoll. Die Teppichentwürfe Johanna S c h i d 1 o s erinnern sehr an Produkte der modernen französischen Gobelinkunst; aber irgendwo muß der Mensch beginnen — und wir gestehen, daß wir auf die Dinge sehr neugierig sind, die aus dem eigenen Webstuhl der jungen Künstlerin herauskommen werden. Rudolf W o h 1 m u t h gibt wiederum zu beträchtlichen Hoffnungen Anlaß; jede einzelne Arbeit, die er zeigt, verspricht etwas. Hier wird auf die weitere Entwicklung zu achten sein. Ähnliches gilt für Angela Varga; Hermine Aichenegg beweist mit ihren Ölbildern, daß sie eine ausgesprochene Begabung für Sgraffito oder Fresko besitzt. Uber die zwei Akte Franz K1 a s e k s enthalten wir uns des Urteils; ein solches wollen wir uns ehrlicherweise erst erlauben, nachdem wir mehr von dem uns einigermaßen überraschenden neuen Stil gesehen haben, in dem Klasek nun offensichtlich arbeitet.

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