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Digital In Arbeit

Gagen, Verträge, Provisionen

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Was tun sie mit dem angesammelten Geld? Darum kümmern sich die Aufdecker viel zu wenig.

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Was tun sie mit dem angesammelten Geld? Darum kümmern sich die Aufdecker viel zu wenig.

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Die Aufdecker der Nation leisten nur halbe Arbeit. Denn immer, wenn sie wieder einen besonders fetten Privilegienfall anprangern, meint der zum neidgenössischen Kontrast bemühte Mindestrentner, dies sei nun nach Jahren der Promi- und Profijagd wirklich der letzte Treffer. So viele Supergagen, Sonderverträge und Provisionen kann es doch in einem relativ kleinen Land ar nicht geben, daß die Aufdecker a immer wieder was finden. Daß der Aufdecker manchen Splitters im Auge des Gegners - um in biblischer Sprache an das ehrwürdige AL ter solcher Skandale zu erinnern — im eigenen Auge einen Balken trägt, der bei solcher Gelegenheit gefährlich knarrt, das kennen und wissen wir. Zeigst du meinen Zettel, zeig ich deinen Zettel!

Unter solchen Umständen kann es nicht mehr die Frage sein, wer in diesem Lande den Rüssel zu tief in den Futtertrog steckt, sondern wer noch übrigbleibt, um Objekt der

nächsten Aufdeckung zu werden. Ohne Aufdeckung ist die in Sachthe- men völlig verarmte Demokratie bekanntlich uninteressant. Da aber in unser aller Interesse die Demokratie nicht uninteressant werden soll, muß die Politik für künftige Aufdeckungsfälle Vorsorge treffen. Stellen Sie sich also vor: Eines Tages klopft ein Emissär jener Partei, die Sie nicht mögen und nicht wählen, bei Ihnen an und macht Ihnen ein nettes Angebot. Sagen wir zwei oder drei Mille. Jährlich, damit wir uns nicht mißverstehen, es handelt sich ja nicht um Kriminalität. Sie haben Bedenken, so viel Geld mit Hilfe jener Partei, die Sie nicht mögen, anzunehmen?

Keine Angst, erstens zahlt eine Partei selbst gar nichts, sondern will

nur Mitgliedsbeiträge und Spenden. Eine Partei vermittelt, ermöglicht, empfiehlt, veranlaßt nur. Und zweitens, die veranlaßte Summe stammt von den Posten-Veranlassungen der Gegenpartei, von jener, die Sie mögen und wählen. Ihnen wird schwindelig? Hier handelt es sich um eine Aktion des AFF (Aufdeckungs-För- derungs-Fonds).

Dieser Fonds hat die Aufgabe, dafür zu sorgen, daß die ZSQ (Zukünftige Skandal-Quote) und damit das Interesse an der Demokratie erhalten bleibt. Nehmen Sie das Angebot daher ohne Bedenken an. Sie bekommen irgendeinen hübschen Titel, der Ihnen Autorität verleiht, gratis dazu. Was kann Ihnen passieren?

Eines Tages werden Sie aufgedeckt. Das ist medial unangenehm. Belegen Sie für diesen Fall rechtzeitig ein Medienseminar oder verreisen Sie im Aufdeckungsfalle auf eine tropische Insel. Von dort schicken Sie ein Schmucktelegramm mit einem längst mit Ihrem Anwalt besprochenen Text. Dieser muß ein wenig erstaunt und beleidigt klingen. Ja, wenn das so ist, etwa in die

sem Sinne, dann verzichte ich auf ein Drittel meiner Gage.

Das imponiert den Medien und der ganzen Neidgenossenschaft mächtig, denn man muß sich vorstellen, was das heißt: Einer verzichtet freiwillig, sagen wir auf eine Million (jährlich). Sie wandeln sich vom Angeklagten zum Opfer. Die Volksseele beruhigt sich. Na, und? Lebt es sich nach einigen fetten Jahren mit zwei Dritteln etwa schlecht? Kein Grund also, von der Urlaubsinsel nicht heimzukehren ins gelobte Heimatland.

Das Problem besteht mittlerweile gar nicht im Verzicht. Das Problem ist: Was tun Sie mit dem angesam- melten Geld? Denn darum kümmern sich die Aufdecker viel zu wenig.

Schlag nach bei Alfred Adler, dem Individualpsychologen. Wem die Liebe und Anerkennung verwehrt wird, der kompensiert die Entbehrung mit der Sucht nach Geld und Luxus. Die Aufdeckungs-Opfer sind im Grunde nicht anders als moderne Kinder: Niemand hat Zeit und Liebe für sie, daher erwacht ihre frühe Habgier und Luxusbereitschaft.

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