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Gegen Gott und Biedermänner

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Das Linzer Landestheater brachte iri den Kammerspielen Bert Brechts „Der gute Mensch von Sezuan“. Der Tenor dieses Parabelstückes ist eine Predigt des Atheismus. Brechts Lehrsatz, daß die außerkommunistische Welt nicht bewohnbar, weil die theistische Ordnung für die unter ihr lebenden Menschen tödlich ist, wird dem Publikum immer wieder eingehämmert. Die Regie Stögmüllers hält sich an die Weisungen Brechts. Er läßt ausspielen, auch wenn die Aufführung nahezu vier Stunden dauert. Die Bühnenemrichtung von Heinz Köttel ist werkgerecht, ermöglicht rasche Umbauten auf der Drehbühne und davon ungestört die Zwischenspiele mit Wang und den drei die Erde inspizierenden Göttern. Lutz Teschendorff bringt vom Band die umgearbeitete Musik Paul Dessaus.

Das Programm weist 26 Darsteller namentlich auf. Es kann nur auf die Träger der Hauptrollen eingegangen werden. In der schwer zu bewältigenden Doppelrolle des guten Menschen von Sezuan, als Shen Te und Shui Ta, bewährt sich Christa Schwertfeger bestens, nur muß sich das Ohr zunächst an ihre harte Aussprache gewöhnen, die ihr als Shui Ta allerdings sehr zustatten kommt. Besonders eindrucksvoll ist ihre Szene mit dem noch nicht geborenem Kinde. Ihr Partner als Yang Sun, stellenloser Flieger und krasser Egoist, ist Werner Englert. In der Rolle des brutalen Draufgängers zeigt er wohl seine bisher beste Leistung. Otto Hans Meinecke gelingt als Wasserverkäufer Wang eine ausgezeichnete Charakterstudie. Elfriede Gollmann als Mutter Yang trifft am besten den Ton Brechts. Erwähnung verdient noch der von Peter Uwe Arndt gut gesprochene Epilog. Der Schlußbeifall bei der Premiere war matt, weniger der Ermüdung des Publikums wegen als einer Entgleisung der Regie, die sich nicht begnügte, am Spielende nach Brechts Weisung die drei Götter auf einer rosa Wolke in die Höhe schweben zu lassen, sondern als Harlekine mit bunten Gewändern und Talmi-Goldhelmen kostümierte. Dieser Mißgriff brachte die Darsteller um den Beifall, den ihre Leistungen verdient hätten.

Die Linzer Kammerspiele brachte als Sfodioaufführung und als „Büh-nenuraufführuing eines Hörspiels“ von Max Frisch „Biedermann und die Brandstifter“ mit ausdrücklicher Zustimmung des Dichters. Das Zurückgreifen auf eine bearbeitete Form des Hörspiels hat den Vorteil, daß der Chor der Bühnenfassungen wegfällt, der nur dann die zugedachte Aufgabe erfüllt, wenn gute Sprecher exakt eingesetzt werden, was selten der Fall ist. Ebenso das weit unter dem Niveau des Stückes bleibende kabarettistische Nachspiel in der Hölle, das lediglich den Eindruck des Spieles stört. Der Dichter kämpft gegen die Stumpfheit eines Großteiles der Menschen, die nur ihren Geschäften leben und dem drohenden Unheil dadurch entkommen wollen, daß sie sich dem Unheilstifter gefällig erweisen. Frisch wendet sich gegen die Biedermänner, die nach unten treten, wo ihnen kein Widerstand geleistet werden kann, die jedoch jeden persönlichen Einsatz scheuen, wo sie Schwierigkeiten befürchten. Ihre Schwäche und Feigheit tarnen sie als Menschenfreundlichkeit.

Die Linzer Aufführung unter der Regie von Hasso Degner bringt den Gehalt der Parabeldichtung zu eindringlicher Wirkung. Die Bühnenausstattung nach Degners Ideen von Hermann Fleisch ermöglicht einen ungestörten Ablauf des Spieles. Alle Mitwirkenden geben ihr Bestes. Georg Matthes überzeugt als Biedermann. Er überspielt den unglaubwürdigen Tatbestand, daß feige Anbiederung bis zur Unterstützung des Verlbrechens gehen kann. Die beiden Frauenrollen der hilflosen Frau Biedermann und des über die bornierte Haltung ihres Herrn verzweifelten Mädchens Anna sind mit den Damen Hanke und Felden vollwertig besetzt. Ausgezeichnete Charakterdarstellungen gelingen Johannes Jager und Manfred Scheibler als Brandstifter. Die Kontrastierung der beiden, ihre Taktik, offen von den geplanten Verbrechen zu reden, dja die Wahrheit am wenigsten geglaubt wird, könnte in Wort und Gestik kaum besser sein. Dazu kommt Friedrich Großart als „Verfasser“, der das Stück kommentiert, aber auch ins Spiel eingreift. Die Aufführung ist von einer beispielhaften Geschlossenheit und Eindringlichkeit, die durch die wirksame doch unaufdringliche Komik noch verstärkt wird. Stück und Spiel fanden dankbar anerkennenden Beifall.

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