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Graz ehrt Nestroy

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Auch wenn er von Nestroy nicht viel hält — was aber kaum jemals der Fall sein dürfte —, fühlt sich der Grazer gewissermaßen verpflichtet, dem Genius N e-stroys seinen Tribut zu zollen, weil er in ihm einen halben Landsmann sieht. Johann Nepomuk Nestroy ist ja bekanntlich in Graz gestorben; wichtiger aber ist, daß Graz nicht nur der Ort des physischen Todes des großen Komödianten und noch größeren Komödienschreibers ist, sondern auch die Geburtsstätte seines dramaturgischen Genies: mit dem „Zettelträger Papp“ hat er in dieser Stadt zum erstenmal auch als Autor die Bühne betreten.

Graz gedachte des hundertsten Todestages Nestroys in würdiger Weise durch eine zweiwöchige Veranstaltungsfolge zu Ehren des Dichters. Im Forum Stadtpark gab es eine von Dr. Berthold S u 11 e r vortrefflich gestaltete Ausstellung zu sehen, die mit Beständen der Landesbibliothek und diversen Leihgaben ein abgerundetes Bild von der Persönlichkeit des Gefeierten und manchen Einblick in dessen Um- und Mitwelt zu geben imstande war. Eine Reihe von Vorträgen beleuchtete das Wesen Nestroys und sein Werk auf zum Teil recht originelle Art: In brillanter Formulierung zeichnete Hans W e i g e 1 die „österreichische Konstante“ in Werk und Person des Dichters nach, Ulrich Baumgartner beschäftigte sich in launiger Weise mit der Literaturkritik in Nestroys Parodien, Friedrich Langer beleuchtete fast kabarettistisch die Wiener Theaterwelt vor Nestroy, und Gustav P i c h 1 e r beschäftigte sich mit des- Gegensätzlichkeiten und Gemeinsamkeiten Raimunds und seines satirischen Konkurrenten. Viel Erfolg hatte Herbert L e d e r e r mit den nach bestimmten Themen zusammengestellten „Splittern und Balken“ aus Nestroys Stücken. Den Abschluß der Gedenkfeiern im Forum bildete ein von dem Grazer Schauspieler Anton Lehmann gestalteter Abend mit den publikumswirksamsten Szenen und Monologen.

Die Vereinigten Bühnen ließen sich ihrerseits auch nicht lumpen und brachten im Opernhaus eine überaus gelungene und festliche Neuinszenierung des „Hauses der Temperamente“. Ludwig Andersens Regie ist eine geradezu virtuose Exaktheit im Zusammenspiel der vier Temperamente geglückt, ein fesselndes Neben-, In- und Miteinander der einzelnen Spielebenen und Darstellungselemente: es war der schönste sympathischeste und berückendste Beitrag zu den Grazer Nestroy-Feiern. Wiederaufnahmen von Inszenierungen vergangener Jahre fügten sich gefällig dem Ganzen ein. Wieder erfreut man sich an den fast choreographisch geführten Figuren in „Unverhofft“ (einem der größten Erfolge der letzten Jahre) und an der einfallsreichen, bilderbogenhaften Aufführung des „J u x“. Als Weinberl und Christopherl waren Michael Toost und Christiane Hörbiger herbeigeholt worden: letztere von bezaubernd sprühendem Temperament — im Stil etwa die Mitte zwischen der Konradi und der Seidler haltend —, der erstere hingegen geschickt und routiniert, aber ohne Humor und Herz. Eine weniger geglückte, weil zu sehr ins Possenreißerische abgedrängte Inszenierung von „Nur k e c k“ ergänzte noch den recht beachtlichen Betrag der Vereinigten Bühnen zum Grazer Nestroy-Fest.

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