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Große Leistungen junger Künstler

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Johann Sebastian Bachs „Weihnachtsoratorium“, obligater Bestandteil der Konzertprogramme, präsentierte sich in einer von Anton Hei 11 er inspirierten und geleiteten Wiedergabe in glücklich abgerundeter Form, die durch verständnisvolle und sinngemäße Kürzungen an Dichte und Substanz gewann. Die sechs aneinandergereihten Kantaten des Werkes erschienen dadurch gleichsam als eine einzige, an Intensität bis zum Schlußchoral sich ständig steigernde, als ein formal und ausdrucksmäßig nicht historisches, sondern unmittelbares geistliches und künstlerisches Erlebnis. An den Ausführenden, voran dem mit hoher Kultiviertheit singenden Staatsopernchor, hatte Heiller hervorragende Helfer, die seinen Intentionen begeistert folgten. (Die Solisten waren: Felbermayer, Rössel-Majdan, Dermota, Otto Edelmann und Dr. Nebois an der Orgel.) Die besondere Fähigkeit, das unmittelbare geistliche Erlebnis aus historisch und traditionell gewordenen Formen zu lös^n, bewies Anton Heiller auch in der Wiedergabe der weihnachtlichen Teile von Händeis „Messias“ In etaer Rundfunkaufführung, die er nach der Händeischen Originalpartitur (anstatt der Uns viel bekannteren Mozartschen Bearbeitung) interpretierte. Der Eindruck war ein fast völlig neuer und von besonderer Stärke durch die mustergültige, ebenso stilreine als unakademische Wiedergabe zum Einmaligen erhöht. Das persönliche Profil des jungen Dirigenten in der Wiedergabe geistlicher Musik, das zweifellös aus innerer Disposition hervorgeht, hebt seine Leistungen beweiskräftig gegen die bloß konzertanten ab, die immer mehr Wünsche offen lassen und sehr oft am Kernpunkt vorbeimusizieren.

Von den beiden jungen Pianisten Friedrich Gulda und Jörg Demut erscheint der erstere zweifellos als der weltgewandtere, stürmischere und dennoch verbindlichere, der sein Publikum mit Chopin zur Begeisterung hinzureißen vermag, was ihm bei Beethoven weit weniger gelingt, der gleichwohl in der Eleganz und Sauberkeit seines Spieles und unbeschadet seiner frühen Berühmtheit Anspruch auf eine große Zukunft hat. In ziemlich deutlichem Gegensatz zeigt sich Jörg Demus als der Bedächtigere Behutsamere, weniger Elegante — aber doch der musischere. Während Gulda sich ausgibt, bleibt bei Demus eine mitklingende Reserve, eine Resonanz des Seelischen, ein verhaltenes Vibrato, das weniger unmittelbar, doch um so nachhaltiger im Hörer weiterwirkt. Vielleicht könnte man viel einfacher Gulda den virtuoseren, Demus den poetischeren nennen, doch wollen wir die beiden jungen Künstler nicht so eindeutig festlegen. Demus spielt Bach mit großer Einfühlung und Vollkommenheit, ja mit der heimlichen Besessenheit eines Organisten, und holt aus dem Hörer letzte Konzentration. Trotzdem er es ihm schwerer macht als Gulda, ermüdet er ihn nicht, sondern belebt ihn von innen her. Er wird vielleicht langsamer, aber vielleicht auch nachhaltiger die Welt erobern.

Mit einem neuartigen Werk überraschte das Studio Salzburg des Senders Rot-Weiß-Rot seine Hörer am ersten Tag des neuen Jahres: auf einen Gedichtzyklus von Ern6t Jirgal schrieb Gerhard Wimberger (Jahrgang 1923) die „Kantate vom Sport“ für Sprecher, Soli, Chor und Kammerorchester. Dem Text entsprechend, schlägt die sehr moderne, von großen zeitgenössischen Vorbildern nicht unbeeinflußte Musik bald hymnische, bald neusachliche Töne an. Um freilich „das Interesse der Sportfreunde auch für die heutige Musiksprache zu gewinnen“, ist Wimbergers Dialekt etwas zu kompliziert. Erfreulich vor allem — wenn wir von der etwas schwülstigen Philosophie der Texte „Fünfkampf“ und p „Seil“ absehen — daß an junge talentierte Komponisten solche Aufträge vergeben werden (wohl ein Verdienst von Hans Rutz) und die saubere Interpretation unter der Leitung des Komponisten.

H. A Fiechtner

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