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Große Zeitfür kleine'Bühnen

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Im Theaterland Osterreich blühen im Sommer auch abseits der großen Festspiele in Salzburg und Bregenz viele bunte Blumen.

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Im Theaterland Osterreich blühen im Sommer auch abseits der großen Festspiele in Salzburg und Bregenz viele bunte Blumen.

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Sommerpause in den großen Theatern. Wiens Theaterkultur geht trotzdem nicht baden. Ein paar unerschütterliche Idealisten proben das ganze Jahr, um das Urlaubsloch mit schauspielerischem Frohsinn zu füllen. Das Programm der Wiener Sommertheater ist durchaus der leichten Muse zuzuzählen, aber ohne Humor könnte das Publikum dem Schlechtwetter, das manche Freiluftaufführungen gefährdet, wohl nicht so ohne weiters trotzen.

„Glühwein haben wir ausschenken müssen, so kalt war es.” Erika Mottl erinnert sich an eine Aufführung am Sieveringer Steinbruch im letzten Jahr. Doch Regen, Kälte und Wind sind fürs echte Stammpublikum auch kein Hindernis. Prinzipalin Mottl zollt den Theaterfans die gebührende Bewunderung: „Wir können uns ja wenigstens bewegen, da wird es nicht so frostig.” Das Ambiente des Sieveringer Steinbruchs als Spielstätte hat Herwig Seeböck 1983, im Jubiläumsjahr der Türkenbelagerung, inspiriert, „Die Kipferlmacher vom Laurenzerberg” aufzuführen. „Buschka-wüü in Baskerwüü” heißt die heurige Produktion, wie immer Adaption eines Klassikers an österreichische Verhältnisse. „Manchmal ist es schwierig, da einen Bezug zu finden”, gibt Erika Mottl zu. Mit originellen Verwandtschaftsverhältnissen läßt sich selbst das britische Moor ins Inland verpflanzen. Macht, Mord, Totschlag und Intrige sind Themen, die der jungen Gruppe, großteils Schüler des Schauspielerpaares Mottl / Seeböck, wieder viel Körpereinsatz abverlangen werden. Die Fluktuation im 20-30-Personen-Ensemble ist groß. Bo-land Düringer, Werner Brix, Alfred Dorfer, Andrea Händler: Das österreichische Kabarett lebt von denen, für die der Steinbruch Sprungbrett zur Karriere wurde. Erika Mottl freut sich darüber.

Hauptfeind der meisten Sommertheater ist, abgesehen von den spärlichen Subventionen, das Wetter. Die „Satyriker” in Floridsdorf haben Glück. Claudius Rajchl, der Chef dieser Truppe, hat einen wetterfesten Spielort. Die Kirche am Kinzerplatz bietet außer dem idyllischen Vorplatz auch den Pfarrsaal als Ausweichquartier. 360 Besucher können bei Schönwetter der Handlung folgen, pro Saison zählen die „Satyriker” zwischen 1.500 und 2.500 Besucher. Zwei Juristen, Studenten, ein Begisseur vom Stadttheater Baden und einige Schauspieler bilden das Ensemble.

Die Vorbereitungen für die Sommerstücke beginnen immer schon zu Weihnachten, heuer steht eine klassische Komödie auf dem Programm: „Tartuffe oder Der Heuchler” von Moliere. Eine gehörige Portion Einsatzfreude, Idealismus und vor allem Theaterbegeisterung ist der Stimmungscocktail, der den Beiz des Sommertheaters ausmacht. Mag es nicht einwandfrei deklamiert sein, die Emotion, die hier von der phantasievoll ausgestatteten Freiluft- oder Pfarrsaalbühne kommt, macht aus jedem Sommertheaterabend ein besonderes Erlebnis.

Floridsdorf, unterm Jahr kulturell eher unterbelichtet, trumpft im Sommer auf. In der Anton-ßosch-Gasse produziert die Theater Bühne 21 Jack, Popplewells Kriminalkomödie „Keine Leiche ohne Lily”. Seit dem Start als Laiengruppe 1978 liefert diese Bühne bis zu fünfzehn Produktionen im Jahr. Hundert Sitzplätze gibt es im sommerlichen Freien, während man drinnen mit 30 Zusehern auskommen muß. Starkult ist auch da verpönt, obwohl der Chef, Gerald Pichowetz, schon besonders gut ankommt. Bei der Leiche heuer ist er allerdings als Produzent nicht im Rampenlicht tätig.

Probenmäßig am schnellsten ist der traditionelle „Tschauner” in Ottakring. Gerade eine Stunde vor Vorstellungsbeginn erfahren die Stegreifspieler die grobe Rahmenhandlung, an die sie sich zu halten haben. Daß es pro Sommersaison nur maximal zwei gleiche Stücke gibt, ist Ehrensache - jeder Tag bringt eine neue Überraschung. Enstanden ist der von Paul Balon geleitete „Tschauner” 1944 aus einer Schultheatergruppe. Vor allem Lustspiele bilden das beim Publikum bestens ankommende Programm. 342 Personen finden im Traditionshaus in Ottakring Platz, und ist meist ausverkauft. „Wir haben eine 85prozentige Auslastung und erhalten uns selbst”, ist Paul Balon mit Recht stolz auf seine Wiener Institution.

Natürlich gibt es im Juli und August auch einzelne Sommerproduktionen an etablierten Orten, etwa im Metropol, aber vor allem die kleinen Bühnen in den Bezirken sorgen dafür, daß der Theatersommer in Wien keineswegs fad wird.

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