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„team 65“: Theater zum Nulltarif

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Die Vorstellungen finden in Altersheimen, Seniorenklubs, Spitälern, Häusern der Begegnung, SP- Sektionslokalen, aber auch und vor allem in Pfarren und vor Kirchen statt. Das Publikum muß fast nie Eintritt bezahlen. So erspart sich das „team 65“ die Arbeit mit Eintrittskarten und Vergnügungssteuer. Man hält sich mit eigenen Mitteln, Spenden und Subventionen über Wasser und vertraut auf die Großzügigkeit der Veranstalter, auf deren Einladung hin die Gruppe bald an diesem, bald an jenem Ort auftritt.

Ihrem Zuschauerkreis, der sonst kaum Gelegenheit zu einem Theaterbesuch hat, können und wollen die „team 65“-Leute auch nicht mit Experimenten kommen. Sie vertrauen auf herkömmliche, leichter verständliche Dramenkost wie Melis „Apostelspiel“, Schnitzlers „Liebelei“ oder Komödien und Possen von Wilde, Tschechow und Nestroy, der im bisherigen Spielplan besonders stark vertreten ist. Mitglieder der Gruppe haben sich auch als Autoren versucht, nämlich das Ehepaar Rachholz und vor allem Götz Kappenberg, der mit seinem Kinderstück „Lumi Lunar“ für die Großfeldsiedlung und mit seiner vor der Donaufelder Kirche besonders eindrucksvollen Bearbeitung von A. J. Lippls „Totentanz“ großen Erfolg hatte.

Wie sieht sich das „team 65“ selbst und welche Ziele verfolgt es? Zunächst handelt es sich nicht nur um eine Theater-, sondern auch um eine Film- und Kulturgruppe, und zwar als „unabhängige, unpolitische, nicht auf finanziellen Gewinn ausgerichtete Gemeinschaft kunst- und kulturinteressierter Menschen“. Man will am Kulturleben aktiv und passiv teilnehmen, sei es durch gemeinsame Besuche von Veranstaltungen mit anschließender Diskussion, sei es durch die eigenen Aktivitäten.

Will man eine Probe des - wie bereits der Name sagt - 1965 gegründeten Ensembles besuchen, muß man sich zu einem der Hauptdarsteller bemühen, denn die Proben finden stets in Privatwohnungen statt. Da sie - trotz aller Sorgfalt und Akribie beim Erarbeiten der jeweiligen Inszenierung - in der Regel mit einer üppigen Mahlzeit verbunden sind, herrscht dabei gute Stimmung, und der Zusam menhalt der Gruppe wird gefördert.

Schon zum zehnjährigen Bestand konnte „team 65“ auf über 600 Veranstaltungen in Wien und den Bundesländern zurückblicken. Die Sektion Theater, geleitet vom Waschmittel-Reisenden Roman Rachholz, hält derzeit bei rund 160 Vorstellungen an über 40 Spielorten. Ehe- und Hausfrau Inge Rachholz führt über jede Vorstellung genau Buch, sammelt die bei dieser Gruppe erstaunlich große Zahl von Zeitungsberichten und hält Mit- ; wirkende und Freunde der Gruppe mit Informationsblättern auf dem laufenden.

Die Auftritte der Mitglieder werden gezählt, zu „runden“ Jubiläen „team“-Geschenke überreicht. Kürzlich erhielt Peter Veith, kaufmännischer Angestellter, für sei-

nen 100. Auftritt die übliche gravierte Silbertasse samt Diplom. Rekordhalter ist Nestroy-Spezialist Gottfried Riedl, Bankbeamter und Leiter der „Filmsektion“, mit damals 142 Auftritten. Zu den Stützen des Ensembles zählen noch Sekretärin Otti Neumeier, Hausfrau Sissy Jerabek, die Ehepaare Auerbach und Nakladal und Gemeindeangestellter Franz Wanderer, der

Regisseur der bevorstehenden Inszenierung von Oscar Wildes „Bun- buiy“. Die Premiere ist am 8. Oktober in der Pfarre „Am Schüttei“ (1020 Wien).

An Errungenschaften kann die Gruppe vor allem auf den sauer ersparten VW-Bus „Vagabundus“ und ein eigenes - durch die langjährige Tätigkeit erworbenes - Kostüm- und Requisitendepot verweisen. Die gesamte Ausstattung, die wegen der vielen Aufführungen leicht transportabel sein muß, wird in Eigenregie hergestellt.

Der Darstellungsstil ist natürlich im Altersheim Lainz anders als in einer Volkshochschule. Im Zusammenhang mit Nestroys „Zerrissenem“ bescheinigte Wiens zweitgrößte Tageszeitung dem Ensemble „fast professionelles Niveau“. Man will sich aber nicht mit dem Berufstheater vergleichen. Gleichzeitig hört man es natürlich nicht ungern, wenn, wie unlängst, ein Berufsschauspieler den „team 65“-Leuten neidvoll zu verstehen gibt, wie froh er wäre, könnte er sich mit den Rollen, die er spielen muß, auch so identifizieren wie sie mit ihren in ihrem selbstgewählten Stück.

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