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Heitere, bittere Weit

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Wer sich Moli ères Komödie „Die Schule der Frauen“ in der Neuinszenierung von ÄXel von Ambesser im Theater in der Josefstadt ansieht und anhört, wird gut daran tun, nicht in Erinnerungen an die seinerzeitige herrliche Gastspielaufführung durch Louis Jouvet und sein Pariser Ensemble im damaligen „Rona- cher“ zu schwelgen. (Theater ist also doch keine ephemere Kunst — wie ihr oft nachgesagt wird —, wenn eine Aufführung nun schon an die zehn Jahre unvergessen nachwirkt.) Molière ist schwer zu spielen. Seine Typen entstammen der alten Komödienwelt der italienischen Stegreifbühne, gleichzeitig spiegeln sie aber die Realität wider. So entstand die unvergleichliche Mischung aus Gelächter, Nachdenklichkeit und Skepsis, Satire als Waffe des Menschen, um seine Welt menschlich zu bewahren.

Arnolphe, der schlaue, lüsterne Vormund, der die liebliche Agnès nur für seinen eigenen „Hausgebrauch“ erziehen und bewachen läßt, sich aber am Ende durch das elementar naive Spiel der Jugend um die Früchte seines Dressur-

Sktes geprellt sieht, ist eine richtige Paraderplle. Molière hat damit die erste große Charakterfigur des französischen Lustspiels geschaffen. Welch heiteres Vergnügen, den in Liebe zu Agnès entbrannten Jüngling Horace alle Stadien seines galanten Abenteuers dem sich vor Eifer-

sucht windenden Arnolphe berichten zu hören und mit anzusehen, wie der Alte aus Furcht vor der Blamage gute Miene zum bösen Spiel macht! Erik Frey faßt die Rolle durchaus komödiantisch auf und bietet eine fesselnde Leistung, mag man auch das Tragikomische im Komischen dieses üblen Egoisten vermissen. (Vielleicht hat Molière hier wirklich die eigene Erfahrung mit einer allzu jungen Frau ins Spiel gebracht.) Gertraud Jesserer spielt die ideale Rolle der bezaubernden Agnès, die aus der sanften Naivität ihres Wesens zur Liebe erwacht, anmutig und charmant, doch von allem Anfang an ein wenig zu wissend. Albert Rueprecht als Liebhaber Horace wirkt nur jung und sympathisch; mehr verlangt auch Molière nicht von diesem Gegenspieler Arnolphes. Franz Messner und Elfriede Ramhapp als drastisch-tumbes Dienerpaar setzen ganz im Sinn der Regie derbe humoristische Akzente. Regisseur Ambesser sorgte für Tempo und vergnüglichen Wirbel, und so freute man sich entgegen allen immer wieder auftauchenden Einwänden an den geistvoll funkelnden Dialogen und der drängenden Szenenführung, was nicht zuletzt den „neuen Alexandrinern“ von Hans Weigel, dem Übersetzer, zu danken ist. Frei von allem gestelztem Zwang, glitten die Schauspieler, sichtlich vergnügt, über die neuen, dem Lustspiel angepaßten Versfüße.

Der einaktige Epilog „Die Nachprüfung“ (L’Ecole des autres) von André Roussin, in dem uns Arnolphe als überlegener Junggeselle, Agnès als Photomodell und Horace als Jazztrompeter präsentiert werden, ist eine gar nicht kurzweilige szenische Etüde, die recht wenig von dem Witz lies erfolgreichert Boulevarddramatikers Roussin ahnen läßt. Alles andere als eine Augenweide war das Bühnenbild von Fabius von Gugel zu Molière. Auch vermißte man peinlich Farbe und Licht.

Julius Mader

Im Renaissancetheater läuft das Schauspiel „Die königliche Straße“ von Raoul Martinée, das an dieser Stelle bereits nach der Uraufführung im Stadttheater Baden im Februar dieses Jahres besprochen wurde. Das Thema des mit dramaturgischem Geschick gebauten Stückes ist die Parallele zwischen einer von den politischen Machthabern gelenkten katholischen Staatskirche, die Robespierre zu errichten suchte, und der „Friedenspriester“-Bewe- gung in den Östblockländern.

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