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Hermann Bahrs Wagnis

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Bedarf es des blitzgescheiten Vorwortes, das Hermann Bahr zu seiner „Joseph i-n e“ schrieb, in dem er dartut, daß er hier den Korsen nicht verunglimpfen, sondern „gerade an einem unzweifelhaft großen Menschen zeigen“ wollte, „was das Leben ist"? Bedarf es des vor der Bühne vorgetragenen Prologs der Muse des Dichters, von Susi Peter hinreißend, in Alt-Wiener Kostümierung, als eine schöne Waldmüllerin, vorgetragen? Vielleicht doch. Denn das Leichte, Ganz-L ichte dieser Komödie, in der Regie MankerS im Volkstheater kräftig unterstrichen (vielleicht zu kräftig), kann sonst übersehen lassen, wie notwendig, wie gut heute die Aufführung dieses Wagnisses Hermann Bahrs ist. Nur ein Oesterreicher konnte diese Travestie, diese Entkleidung des Helden, de‘s Mannes der Macht, des Erfolges schreiben. Shaws „Helden“ segeln und ankern in anderen Gewässern ... Der Höhepunkt des Stücks und der Aufführung liegt in der Szene, in der Napoleon Unterricht bei Talma, der Koryphäe der Comėdie Franęaise, nimmt. Dieser Unterricht ist bekanntlich historisch, was aber Hermann Bahr in ihm ersieht, ist die grotesk-unheimliche' Vision vom Aufstieg der politischen Schauspieler und Schausteller unseres Jahrhunderts, in allen Lagern, allen Kontinenten. Man kann sich gut vorstellen, daß Führeraspiranten aus Afrika, Asien und Umgebung hier an der Lektion teilnehmen wollen, die Egon von Jordan als Talma mit seinem überbegabten Schüler exerziert. — Die Besetzung der Rollen ist Auffassungssache: für eine „stillere“, verhaltenere, diskretere, mit mehr Hintergründigkeit geladene Auffassung dieses Stückes (wie es Bahr selbst vielleicht nur im Unferbewußtsein gewollt, unserer Zeit aber sicher gut bekäme) hätten die Hauptrollen anders besetzt werden müssen. Für die laute, dralle, komödiantische Auffassung eignet sich wohl diese Besetzung. Vor allem Walter K o h u t als Bonaparte.

Blanche Aubry als Josephine? Lichterlohe Leere. Laut, lärmend, schreiend; muß das so sein? Hat ein solcher Typ Napoleon fasziniert, besteht hier auch nur die fernste Bezogenheit zu Josephine Beauharnais? — Farbig, in Nebenrollen, Dorothea Neff als Marketenderin Larose, Hilde Sochor als Kammerfrau, Ludwig Blaha als Barras und, ein Kabinettstück aus dem alten Oesterreich, Oskar Willner als Gesandter. — Sehr ffeundlicher Beifall des Publikums (für Bahr, das Stück, die Schauspieler?).

„S o 1 e d a d“ von Colette Audry im Parkring- T he ater: Ein Stück, das post bellum dem Freiheitskampf im Untergrund gewidmet ist. Im ersten und in der ersten Hälfte des zweiten Aktes zumindest, als sehr konsequent und mit einer Art menschlichen Katzenjammers auf die Resistance demonstriert wird, daß auch Helden der freiheitlichen Ideale bėi der Gegenüberstellung mit menschlichen Problemen eben sehr — problematisch reagieren können. / Daraufhin allerdings verschiebt sich alles- mehr ins Private, Unwesentliche und auch eher Unwahrscheinliche, so daß im dritten Akt der Konflikt recht verworren im Gefühlsbetonten, Melodramatischen versiegt: sehr zum Unmut aller anwesenden Sartre-Freunde und zur Langeweile der übrigen Besucher. Der Inszenierung Tino Schuberts (der sehr souverän einen spanisch anmutenden Polizeigewaltigen gibt) darf man zugute halten, daß die Geschehnisse auf der Bühne immerhin bedeutungsvoller erscheinen als dem (von Lore Korneil schlecht übersetzten) Textbuch zu entnehmen ist. ln den Hauptrollen entschädigten Brigitte Köhler — und mit Abstand — Hans Christian, Kurt Sobotka und Elfriede Rammer. '

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