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Illusionen verleihen Halt

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Nicht nur Reales stellt sich manchmal zwischen die Menschen, vielleicht sind es Illusionen. Es können auch schmerzliche sein, die sogar einem Leben einen seltsamen Halt zu verleihen vermögen. Das zeigt das neueste Stück von Arthur Miller „Der Preis“, das derzeit im Burgtheater aufgelührt wird.

Zwei verfeindete Brüder treffen sich nach 16 Jahren wieder als die elterlichen Möbel verkauft werden sollen. Beide hatten Medizin studiert, aber Victor brach das Studium ab, um seinen angeblich verarmten Vater unterstützen zu können, während Walter ein gesuchter, viel verdienender Chirurg wurde, der sich weigerte, seinem Bruder für die Fortsetzung des Studiums Geld zu geben. Victor, der nichts erreichte, findet Halt in dem Gefühl der Pflichterfüllung gegenüber dem Vater. Er muß aber nun erfahren, daß der Alte noch genug Geld besaß, ihn nur ausnützte, Victors vermeintliche Selbstaufopferung decouvriert sich als die Angeberei eines Versagers vor sich selbst. Der Preis, den er zahlte, war für nichts eingesetzt. Aber auch Walter hat seine Erfolgsund Geldgier mit der Zerstörung seiner Ehe und einem Nervenzusammenbruch bezahlt. Zur Versöhnung der beiden kommt es nicht mehr.

Unter Entbehrungen Gutes zu tun, wird hier auf eine Schwäche, einen inneren Notstand zurückgeführt, die Fassade, die Victor ziu seiner Selbsterhaltung vor sich errichtete, stürzt ein. Das falsch Beschönigende muß zusammenbrechen, sind die Wurzeln seines Verhaltens aufgedeckt. Hier ist der Wahrheitsfanatismus des Autors am Werk. Bitternis verbreitet sich. Diesem Eindruck wirkt Arthur Miller in dem etwas langatmigen Stück, das erst gegen Schluß zum eigentlichen Problem vorstößt, durch die prachtvolle Gestalt eines fast 90 jährigen jüdischen Möbelhändlers entgegen, der die Szenen bis zur Pause trägt. Mit Recht gewinnt der Alte die Sympathie des Publikums.

Rudolf Steinboeck bietet als Regisseur eine vorzüglich durchgetönte Aufführung dieses Vierpersonenstücks. Edd Stavjanik zeigt als Victor sowohl scheinbare Energie, wie Gehemmtheit, Alexander Trojan hat als Walter die gelassene Überlegenheit des Erfolgreichen, die nur selten eine Zomwelie durchbricht. Das

Unerfüllte von Victors Gattin kennzeichnet Aglaja Schmid durch Nervosität und Härte. Das Geschäftliche mit dem Menschlichen, das Kluge mit der Altersweisheit vereint Ewald Baiser zu einer meisterlich geformten Gestalt. Diese Leistung allein macht die Aufführung sehenswert. Durch Lots Egg wird die Bühne überzeugend zur Rumpelkammer vergangenen Reichtums.

Selbstaussagen vermögen in monologischen Einaktern zu packen, wenn sie doppelschichtig sind. Das ist bei den beiden einaktigen Stük- ken, die derzeit im Kleinen Theater der Josefstadt gespielt werden, der Fall. Unterschiedliche Technik kennzeichnet sie. ln „Hughie“ von O’Neill schwärmt Erie, ein herabgekomme- ner Berufsspieler, um drei Uhr früh dem Nachtportier eines drittklassi- gen Hotels von dessen Vorgänger vor, der seinen Aufschneidereien, ein erfolgrecher Spieler zu sein, Glauben schenkte. Diese Fiktion macht ihm das Leben erträglich, doch bricht in sie vorübergehend die Erkenntnis der Realität, der eigenen brüchigen Existenz, ein. Eine trefflich gezeichnete Gestalt, wirksam durch das Diffundieren der beiden Seelenschichten.

In dem zur Uraufführung gelangenden Einakter „Glückliche Leben“ von Ernst Waldbrunn und Lotte Ingrisch denkt ein etwas unbeholfener, ältlicher Mittelschulprofessor vor dem Sarg seiner verstorbenen Frau und ehemaligen Schülerin, die 20 Jahre jünger war, in zärtlichster Zärtlichkeit an das verflossene gemeinsame leben. Unvermittelt bricht in ihm, was er nie aussprach, der Vorwurf auf, immer wieder betrogen worden zu sein. Hier werden die beiden ineinander verhafteten Seelenschichten in einem Nacheinander vorgeführt, ein Kunstmittel, das der szenischen Ausdruckssteigerung dient. Der Sarg verführt nicht mehr, wie in Lotte Ingrischs „Vanillikipferln“ zu makabrem Humor, hier gibt es das Klima rührender Menschlichkeit.

Jochen Brockmann als Erie, Rudolf Rösner als Nachtportier und Emst Waldbrunn als Professor bieten unter der subtilen Regie von Florian Lepuschitz eindrucksstarke schauspielerische Leistungen.

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