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IM STREIFLICHT

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DAS fünfte „Internationale Musikfest“ in ^ der zweiten Hälfte dieser Spielzeit soll, wie man hört, von unseren beiden großen Konzertgesellschaften gemeinsam veranstaltet werden. Das ist erfreulich und brächte vielleicht manche Erleichterung für die Veranstalter und manche Bereicherung des Programms — wenn nicht, im Sinne eines Kompromisses zwischen den beiden „Richtungen“, zu viel Wasser in den Wein gegossen wird. Nun trägt man sich aber bereits mit dem Gedanken, das „Internationale Musikfest“ in die Wiener Festwochen einzubauen. Hiergegen sind Bedenken anzumelden. Die Wiener Festwochen haben ein vorwiegend populäres Programm, das im vergangenen Jahr bereits überchargiert war. Die Gäste der Festwochen sind wohl nur zum aller-kleinsten Teil auch die Interessenten füi ein Festival zeitgenössischer Musik. Denn das vor allem soll das Internationale Musikfest bleiben. Diesem — mag sein: ein wenig exklusiven! — Programm dankt es seinen europäischen Ruf. Und diesen sollte man zu erhalten trachten, indem man sich davor hütet, aus dem „Internationalen Musikfest“ eines jener vielen uninteressanten Festspiele zu machen, die gleicherweise in Luzern oder in Edinbourgh stattfinden können. Die Gefahr der Nivellierung scheint durch Eingliederung in — und Angleich an — das Programm der Wiener Festwochen gegeben.

CIN anderes Projekt der nächsten Wiener Festwochen will die wichtigsten Theater aus den Bundesländern zu Gastspielen nach Wien verpflichten. In diesem Punkt können wir um» nichts Besseres wünschen: es gibt in den österreichischen Ländern Theater, deren Spielpläne mit denen der Bundeshauptstadt durchaus konkurrieren und die in Wien Stücke zeigen können, die selbst dem hiesigen Publikum fast als sensationelle Novitäten erscheinen müßten. Es würde also ein solcher inneröeterrechi6cher Kulturaustausch wahrscheinlich nicht nur auf die Landesbühnen befruchtend wirken...

Kapitel „Kulturgroschen“ sei der Ausspruch eines maßgebenden Stadtrats — nicht des Stadtrats für Kultur und Volksbildung! — zitiert, der in wahrhaft olympischer Ruhe die Sachlage klar zu beleuchten wußte: „Ein Theater, das is wie a Schuhfabrik. Wann s' net geht, sperrt man s' zua.“ In der Tat, das 6ind klassische Worte, die alles, was bisher über Kunst und kulturelle Verpflichtungen gesagt wurde, mit einem Schlag als müßiges und überflüssiges Gerede von Leuten entlarven, die halt auch nichts Gescheiteres zu tun haben...

T^EM Besucher des Wiener Konzerthauses bietet sich ein merkwürdiger Anblick. An der Frontwand der großen Stiege schaut dem Besucher ein schönes Relief Kaiser Franz Josephs entgegen, rechte und link6 aber, am Fuße der Treppe, prangen Glaskästen mit Schuhen und Herrenhüten. Man mag denken, wie man will, konservativ oder revolutionär, aber jeder Mensch mit etwas Geschmack wird diese Schaustellung zu Füßen des Monarchen, der sich in der ganzen Welt der Achtung erfreute, wie eine Ohrfeige empfinden. Aber lassen wir den alten Kaiser aus dem Spiel, Sind Schuhe und Hüte Gegenstände, musikbegeisterte Menschen zu erfreuen? Reißt e6 nicht aus jeglicher Stimmung, wenn man freudig die Stiege hinaufschreiten will, in Erwartung eines erlesenen Kunstgenusses — und das Auge bleibt an den Schuhen und Hüten hängen? Was würde Beethoven, wa6 Mozart sagen, daß Geschäftgeist sich bis in diese weihevolle Halle eindrängt? Hätte man wenigstens die Schaukästen neben die Garderobe gestellt oder hätte man — noch besser — die Schaukästen mit Musiknoten und Instrumenten gefüllt! Man begreift, daß die Kumstetätten im Kampfe ums Dasein zu allen Mitteln greifen. Die Schuh-und Hutfirmen zahlen wahrscheinlich gut für diese Schaustellung. Aber es gibt da wohl Grenzen. Schuhe und Hüte gehören einmal nicht in die Aufgang6halle eines Konzerthauses, sonst 6inkt es zum Warenhaus herab. Es wäre dann gleich einträglicher, das ganze Gebäude in einen Basar umzuwandeln.

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