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Jugend von heute?

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Der Grazer Werner Schneyder (Jahrgang 1937), zur Zeit Dramaturg des Linzer Landestheaters, hatte im Vorjahr mit seinem in Salzburg uraufgeführten Stück „Till, bevor er hing“ bemerkenswerten Erfolg. Nun brachte das Kleine Theater der Josefstadt im Konzerthaus Schneyders Szenenfolge „Unsinn bei leiser Musik“, zu Unrecht Komödie genannt, zur Uraufführung. Acht junge Menschen, ohne wahre Sorgen, spielen jenes beliebte Gesellschaftsspiel „Wer mit wem?“, wobei hinter dem oberflächlichen erotischen Geplänkel mit allem modischen Drum und Dran von fern auch einiges von der echten Not und der Einsamkeit junger Menschen zu erahnen ist. Aber es wird alles nur angedeutet, hingetupft, zerredet. ..Euer umfassendes Nichtentsprechen vor dem eigenen Anspruch“, wendet sich der Autor im Programmheft an seine Gestalten, „dieses etwas Sein, aber nicht ganz Sein und nicht genug Sein, soll selbst das Drama werden.“ Doch hier wird nichts zum Drama. Schneyder ist kein Neuling, sondern vom Fach, und da man im Burgtheater gerade Hauptmanns „Biberpelz“ spielt, möchte man ihn auf jenes Phänomen hinweisen, wie eine Sprache auf der Bühne sieht- und sehbar werden kann, wie der Tonfall Gestalten figuriert, ihre Konturen verdeutlicht, ihr Volumen füllt, ihnen Dichte gibt. Aber die jungen Autoren von heute halten es ja so sehr mit dem Absurden oder zumindest mit dem Zertrümmern der Dramenform von gestern, daß ihnen obiger Hinweis .höchstens ein mitleidiges Lächeln entlocken könnte. „Das Stück ist keineswegs unmoralisch“, erklärt Werner Schneyder, „eure Unmoral wird vorgeführt, um den Nimbus zu nehmen.“ Doch dieser Akt der Desillusionierung bleibt in der Absicht stecken, und von der „Architektur des Wortes“, die einmal zitiert wird, ist in diesem von Schlager- und Mozart-Musik untermalten „Un-Sinn“ auch nur eine Spur. Regisseur Edwin Zbonek ließ die Bühne, die einem kahlen Turnsaal glich, von den Akteuren jeweils flink möblieren, wonach die Schauspieler bald absurd (gleich zu Beginn verlas ein junger Mann auf dem Kopf stehend einen Brief seiner Liebsten), bald -realistisch (in der Verführungsszene) agieren durften. Von den Darstellern gefielen besonders Peter Ma-tic als schüchterner und enttäuschter, Norbert Beilharz als intellektuell überlegen tuender Liebhaber sowie Marianne Chapuis als kühle Verführerin. Der Beifall galt den Schauspielern.

Um den eingeleiteten Kulturaustausch in Schwung zu halten, folgte dem Gastspiel des Slowakischen Nationaltheaters aus Preßburg ein solches der Städtischen Bühnen Prag. Zwei sehr versierte und sympathische Schauspieler: Zdenko Pro-chäzkovä und Karel Höger rezitierten und mimten den in Wien nun schon zur Genüge bekannten Briefwechsel in Komödienform „Geliebter Lügner“ zwischen der englischen Schauspielerin Stella Patrick Campbell und G. B. Shaw. Regisseur Ota Ornest, der auch für die Übersetzung zeichnete, ließ die beiden Darsteller ihrer Eigenart gemäß frei gewähren. Das Ergebnis war eine recht lebendige, $chte Tränen vergießende Stella (der man nur das Altern nicht glaubte) und ein rustikaler, komödiantischer Joey alias G. B. S. Beide erhielten starken und verdienten Beifall. Bleibt nur die schon früher einmal gestellte Frage: Warum wir in Wien slowakische oder tschechische Bühnenkunst nur durch italienische oder englische Filter vermittelt bekommen und nicht (wie etwa zuletzt die Berliner und Kölner) durch interessante und weit aufschlußreichere Originalwerke?

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