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Kleine Bühnen — kleine Stücke

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Als ob es ein Kinderspiel wäre, das Leichteste von der Welt, eigens dazu erdacht, von ziemlich talentierten und ein bißchen verzogenen Schauspielschülern als Weihnachts- oder besser noch als Faschingsspielchen aufgefühlt zu werden, so mutete im R e i n-hardt-Seminar Goldonis „Kluge W i t w e“ an. Gespielt von jungen Leuten, die zum Teil schon ihr erstes Engagement in der Tasche haben. Und was da nach außenhin recht liebenswü.dig heiter, mit Jux und mit jugendlichem Charme ausgestattet (freilich reichlich ziellos, planlos, unpräzise) sich dem Beschauer darbot, ist doch recht fragwürdig im Grund', und Grund zu ernsten Zweifeln und zur Flage, was das wohl soll. Die glaubten doch nicht allen Ernstes, daß sie Goldoni spielten. Die glauben doch nicht am Ende, daß das so leicht ist. Und die glauben doch nicht gar, daß es darauf ankommt, gewandt, spaßig und -routiniert über die Bretter zu hüpfen. Als kleine Stars, jetzt schon kleine Snobs des Amüsiertheaters, verwöhnte Kinder der Wirtschaftswunderzeit. Sie sollen sich uns einmal zur Abwechslung in Fachrollen zeigen. In Rollen, die sie innerhalb eines Ensembles werden spielen müssen. Dtjiri werden wir sehen/ob Herbert KucCra,' ob “Rag-., mlFnÖrfras, ob'eirriflMaTftßs *ufld €Äp1 Geraths, Elisabeth Hammerl, Peter Eschberger und all die anderen nicht nur begabt und in jungen Jahren schon bühnensicher sind, sondern ob sie wirklich das Zeug dazu haben, gute Schauspieler zu werden.

Im Parkring-Theater suchen in dem Stück „Der Fischbecker Wandteppich“ vier (sehr gute) Schauspieler ein Handlung. Wenn's noch ein Autor wäre — da ließe sich Pirandello sehr empfehlen, oder wenn es die nicht vorhandenen Requisiten wären — da ließe sich bei Thornton Wilder manches finden —, aber nein, den Autor haben sie (es ist Manfred Hausmann), und die Requisiten wollen sie gar nicht, denn sie spielen vorgetäuschtes Stegreif. Ganz modern, wie Pirandello vor vierzig, wie Wilder vor zwanzig Jahren. Sie suchen überhaupt nicht wirklich, sie tun nur so. Weil es so im Textbuch steht. Daher finden sie es im Jahre 1957, da solches nicht mehr aktuell ist. bei Manfred Hausmann wirklich nicht. Weit und breit kein gutes Stück. Nur ein „gewagt“ konstruiertes und mit ein paar amüsanten Gags ausstaffiertes Legendenspiel, das auf leerer Bühne vor den Augen

der Zuschauer „ersonnen“ und teils pantomimisch dargestellt, teils nach den Rezepten des Phantasietheaters vergangener Experimentierherrlichkeit angedeutet wird. An und für sich eine sehr schöne Legende über die Entstehung des tausend Jahre alten Fischbecker Stiftes an der Weser Und, wie bereits erwähnt, sehr gute schauspielerische Leistungen von Bibiana Zeller, Peter Weihs, Wolfgang Gasser und Maria Walenta. Regie: Hartmut Rötting.

Andre R o u s s i n ist so etwas wie ein Enfant terrible unter den französischen Komödienschreibern — und obendrein ein „integerer“ Außenseiter des Boulevardtheaters. Denn was normalerweise als frivol und anzüglich angepriesen wird, um sich dann als relativ harmlos herauszustellen, ist bei Roussin durchaus „seriös“: er hält, was er verspricht, er nimmt es ernst. Zweideutigkeiten sind seine Sache nicht. Mithin gibt es in seiner Komödie „Straußeneier“ — derzeit sehr „couragiert“ im Theater der „Courage“ gespielt — genau genommen nur.. zweL MögUchkeiten: eptweder. weggehen und ernsthaft, schokiert. sein — oder Reiben um} .milde schokiert sein. Wobei allerdings die Erfahrung lehrt, daß von hundert Zuschauern in der Regel hundertzehn milde schokiert — bleiben. Was den Erfolg von Monsieur Roussin bestätigt und was den amüsiert schokierten Zuschauern nicht verübelt werden kann, denn Roussins szenisches Geschick ist ebenso beträchtlich wie sein Humor. Daß demnach die Familie von Monsieur Hippolyte, über deren Intimitäten Roussin sehr detailliert zu plaudern weiß, weder zu den ganz feinen noch zu den sehr puritanischen gehört, sich vielmehr etwas mühsam und reichlich faulig durch die Eskapaden ihrer mit allem „Menschlichen“ vertrauten Mitgliedern am Rande dessen, was üblich ist. durchlaviert, ergibt sich organisch. Die von Wilhelm H u f n a g 1 gewandt geleiteten Schauspieler Rosl Dorena, Horst Fitzthum, Tino Schubert, Susanne Polsterer und Gustav Dennert geben sich alle erdenkliche Mühe, Dinge, die Schauspieler für gewöhnlich auf einer Bühne nicht sagen, nach Maßgabe der Kräfte und mit unterschiedlichem Erfolg natürlich herzusagen. Das geschickt gelöste Bühnenbild stammt von Wolfgang. Moser und Ferdinand Friedl; die Uebersetzung von Eric Schildkraut läßt zu wünschen übrig.

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