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KOMISCHE TYPEN

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Als ich ein Kind war, liefen phantastische komische Typen herum, und ich hatte meine Freude an ihnen. Manche von ihnen waren Verwandte oder alte Familienfreunde. Sie waren ebenso grotesk wie Charaktere aus Dickens oder Gogol. Sie schienen sich, wie die großen Possenreißer, die sie ja waren, darüber klar zu sein, und so blieben sie sich fabelhaft treu, ja übertrieben sich selbst wie Komödianten im dritten Akt. Jedesmal, wenn sie auftauchten, waren sie besser denn je. Als wüß-ten sie es. Und heute sind sie natürlich längst tot und verschwunden. Zur Zeit des erster. Weltkrieges lichteten sie sich, und als ich aus dem Krieg heimkehrte, hatten sich die letzten von ihnen zu den Dinosauriern und Mastodonten gesellt. Obwohl ich meinem inzwischen Erwachsenen-Geschmack Rechnung trage, kann ich ihresgleichen heute nicht mehr finden, und so ist auch jene helle Freude dahin. Dennoch bemerke ich hie und da, wenn mich Leute einladen oder ich ausgehe, daß die Kinder sich merkwürdig benehmen. Blicke und Püffe werden getauscht, Heiterkeitstränen steigen in die Augen, aus den Ecken ertönt unterdrücktes Kichern und von entfernten Treppenabsätzen schallendes Gelächter. Und dann erkenne ich, daß die Freude, die ich einst empfunden habe, nicht gänzlich verschwunden ist; daß einige meiner Freunde nicht in allen Augen dieselbe Figur machen wie in den meinigen; daß sogar ich selbst, ein sorgenvoller Mann, alt und würdig genug, um einen Platz im Geschworenengericht einzunehmen, mich, ohne es zu wissen, in einen jener phantastischen, albernen Possenreißer verwandelt habe ...

Aus: „Köstlich, köstlich“ von J. B. Priestley Langen-Müller-Verleg, München

Veränderungen nicht nur entschlossen, sondern sogar fähig waren, kann nur als Naturwunder erklärt werden.

Nun mag die Mode gegen das Weibliche noch so sehr angehen, die Liebe vermag sie nicht außer Kurs zu setzen. Die Mode der nächsten Jahre gefiel sich höchstens in Variationen des Typs. Mal wurden die Röcke wieder länger, dann wieder kürzer, und wenn sich das Abendkleid am Dekollete versuchte, handelte es sich ausschließlich um ein Rückendekollete. Später, als die Zeiten heroisch und ziemlich eisenhaltig wurden, erfuhr die Mode eine Degradierung zur praktischen Hausschneiderin. Die jungen Mädchen trugen jetzt Uniform und marschierten für Großdeutschland, was weder ihrer Anmut noch Großdeutschland bekam. Ein gewisser Zug ins Robuste, sozusagen Handfeste für Helden, war unverkennbar.

Zwei Jahre, nachdem die Helden müde geworden waren, und viele von ihnen noch hinter Stacheldraht saßen, blies Christian Dior in Paris dem nüchternen Funktionalismus das große Halali. Die Frauen durften wieder Frauen sein, mit Grazie und schmaler Taille (am richtigen Ort), mit Kapricen und Korsagen, mit weitschwingenden Röcken und weitschwingender Phantasie, mit verspielter Koketterie und raschelndem Frou-Frou. Und wieder vollzog sich das Wunderbare, daß das weibliche Geschlecht anatomisch prompt reagierte, daß die Frauen sozusagen auf Wunsch aufblühten, um der neuen Form reizvollen Inhalt zu geben. Was wir als Halbwüchsige erfahren hatten, gewissermaßen die Entmaterialisierung der Frau, erlebten wir mit grauen Schläferl als rückläufiges Phänomen':'.' die' 'Wiederkehr' des „Ewig'-. Weiblichen“. Wir erlebten es nicht ohne Wohlwollen und außer-, dem in der Erkenntnis: Nicht der Geist bewegt die Materie, sondern die Verpackung. Zumindest die weibliche!

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