6725781-1965_31_11.jpg
Digital In Arbeit

Lächeln geboten

Werbung
Werbung
Werbung

„Um die Schönheit einer Wendung zu entdecken, still und völlig fasziniert ihr hingegeben, muß ich eine Sprache riechen und sie schmecken und aus ihrem Schlaf und Dämmerzustand wecken: erst durch die Lektüre fängt sie an zu leben.“

Daß Heiterkeit den Blick für den Ernst der Dinge nicht trüben muß, beweisen heutzutage eigentlich wenige Autoren mit ihrem Werk. Und die es beweisen und damit schnell und gut beim Publikum ankommen, werden mitunter von den Kollegen scheelen Auges angesehen, als seien sie ehrlos. Die wirkliche literarische Ehrlosigkeit fängt indes erst an, wenn diese Autoren, vom Erfolg und vom Verlag bestochen, mit der Uberproduktion beginnen. Fridolin Tschudi, der kluge, reimende Eidgenosse, ist mit solchem Vorbehalt zu genießen. Zu genießen, wohlgemerkt! Denn wer aus dem Bändchen „Dir zuliebe“ etwa die Hälfte wegdenkt, wer sich an Einsichten und Formulierungen wie oben zitiert hält, der hat manche vergnügliche Stunde und ist sogar mit der Kunst des Verseschmiedens ausgesöhnt.

Fischers Fischgeschichten sind in erster Linie den Jüngern Petri zugedacht. Da die Konversation mit dieser Gilde für den Laien manchmal schwierig ist, empfiehlt sich die Lektüre auch jenen Leuten, die einmal mit Fischern zünftig reden wollen oder müssen, beispielsweise deren Gattinnen. Literarischer oder naturwissenschaftlicher Rang kommt dem Buch nicht zu.

Thaddäus Troll beherrscht als routinierter Journalist und Kabarettist die witzige Pointe. Sein Buch „Sehnsucht nach Nebudistan“ liegt erweitert und umgearbeitet vor und kann etwa als Ferienlektüre recht gute Dienste tun. Es enthält eine Menge treffender Zeitkritik, es nimmt' vor“ allem deh~bündesdeüt1“ sehen Protzbürger scharf aufs Korn und gibt der Karikatur einen nachdenkenswerten Hintergrund. Allerdings wird die Art Trolls, die in den bekannten Kurzgeschichten gut verträglich ist, nicht jedermann auf mehr als 300 Seiten zusagen.

Bei V. O. Stomps ist der Humor schwarz bis makaber. Die Welt- und Menschenverachtung dieses Autors geht dem Österreicher entschieden zu weit. Politische Utopismen, ein skurriler Sarkasmus und eine in ihrer Schärfe verletzende Doppelzüngigkeit treiben die Handlung, mit der man sich nicht befreunden kann, an.

Für Snobs — und wer wäre zuweilen kein Snob? — ist der Roman der neunjährigen Daisy Ashford ein Leckerbissen. Unser H. C. Artmann hat den um die Jahrhundertwende in England zum Bestseller gewordenen Text sinngemäß übertragen und ihm mit seiner Orthographie ein reizvolles Lokalkolorit gegeben.

Die Miniaturen von Friedrich Wallisch sind österreichische Feuilletontradition. Man liest sie fast mit Wehmut, weil ihr Milieu so rettungslos vergangen ist. Ein Vergleich mit der internationalen Konkurrenz, wie er in dieser Besprechung naheliegt, zeigt, daß hinter der bescheidenen Hülle durchaus eine Leistung liegt, die sich mit dem modernen Angebot messen kann und den Leser angenehmer unterhält, weil sie nicht verkrampft ist.

Als Neuentdeckung von Gewicht ist das Erstlingswerk des jungen Otto Jägersberg. Er nennt das Buch ein „westfälisches Sittenbild“ und hält mehr als er verspricht. In der Anlage dem alten Heimatroman ähnlich, in der Sprache ungekünstelt, aber von einem kritischen, durchaus zeitgemäßen Bewußtsein durchdrungen, so bietet dieses Werk einen kräftigen Humor, ohne irgendwie billig zu sein. Das einfache Leben tritt in seine Rechte, nicht idyllisiert und nicht idealisiert, aber in seiner ganzen Situationskomik, voll kauziger und doch liebenswerter und in ihrem Chara-ter geradliniger Gestalten. Sogar eine religiöse Seite hat dieses Buch, eine fromm-zweifelnde, gütighadernde, gläubig-zornige. Aber Gott ist mit jener Selbstverständlichkeit da, mit der der Mensch da ist. Er gehört dazu. Er verleiht diesem glaubhaften Spiegelbild die Atmosphäre einer Weite, die zu der lokalen Enge des Schauplatzes in merkwürdigem Gegensatz steht. Bücher, die so erfrischend und befreiend wirken, sind selten. „Weihrauch und Pumpernickel“ meint den Dualismus menschlicher Bedürfnisse überhaupt und lehrt ein Lächeln, dessen sich der Mensch nicht zu schämen braucht. Es ist ein Symptom unserer Zeit, daß so etwas keinen Literaturpreis bekommt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung