6664883-1960_27_12.jpg
Digital In Arbeit

Lebenswerk eines Achtzighrigen

Werbung
Werbung
Werbung

Der Mecklenburger Hans Frarick ist heute mehr als 80 Jahre alt. 1879 in der in materieller Hinsicht blühenden, kulturell jedoch wenig schöpferischen Gründerzeit geboren, empfing er entscheidende geistige Eindrücke und Impulse in der von sozialen und politischen Spannungen gekennzeichneten Jahrhundertwende, die sich auch in der Literatur der Epoche niederschlugen. Naturalistische Elemente finden sich vor allem in Francks Novellen und Erzählungen. Auch der Impressionismus bleibt nicht ohne Einwirkung auf sein Schaffen. Und nicht zu vergessen die Zeugnisse echter, herzwarmer Heimatkunst dieses „literarischen Bauern“, der heute noch auf seinem teilweise von ihm selbst bewirtschafteten Anwesen in Mecklenburg lebt.

Die uns vorliegende Auswahl aus dem umfangreichen Werk Hans Francks enthält zunächst drei dickleibige Romane — über Anette von Droste-Hülshoff, Marianne von Willemer und Johann Georg Hamann —, die Zeitkolorit und Umweltatmosphäre lebendig widerspiegeln, in der Darstellung der Geschehnisse aber manchmal die Grenzen zwischen Dichtung und Wahrheit allzusehr verwischen. Thomas Mann hat Francks Roman über Marianne von Willemer mit anteilnehmendem Lob bedacht; aber am besten ist dem Autor zweifellos das Werk über die ihm wesensverwandte Droste gelungen, ebenso wie ihm die hintersinnige, schwermütige westfälische Art unmittelbar vertraut ist. Das Buch über Hamann dagegen, das fast ganz erdichtet ist, wird dem großen „Magus im Norden“ doch nur bedingt gerecht. Sein Verhältnis zur Fürstin Gallitzin, das im Mittelpunkt dötü Hisiii.'.tJt'-i na rowitiA in^otj, aio %w der Geschehnisse steht, ist allzusehr in die Sphäre süßlicher Empfindsamkeit und pathetischer Schwärmerei gerückt. Beinahe komisch wirkt es, wenn die handelnden Personen nicht einfach mit Namen genannt werden, sondern es von der Fürstin viele Male bombastisch: „Adelheid Amalie von Gallitzin, Tochter des friderizianischen Feldmarschalls von Schmettau ...“ heißt, im Zusammenhang mit irgendeinem banalen Alltagsereignis, oder diese gar als „die von ihrem Gatten getrennt lebende Freundin des Magus im Norden“ betitelt wird. Diese störende Manie findet sich übrigens auch in den anderen Romanen Francks.

Sehr schade ist es, daß in der uns vorliegenden Auswahl die prägnanten Kurzgeschichten und pointierten Anekdoten des Autors fehlen, die, neben den Novellen, von denen einige gebracht werden, zum Besten gehören, was Franck geschrieben hat.

DER GÖTTLICHE BETTLER UND ANDERE VERSUCHE. Von Ida Friederike G ö r r e s. Josef-Knecht-Verlag, Frankfurt 1959. 220 Seiten. Preis 8.80 DM.

Über den heiligen Franziskus von Assisi, über die kleine heilige Theresia, über den heiligen Josef, über die Heiligen, die in der Adventzeit gefeiert werden, über Reinhold Schneider, über den Erz-märtyrer Sankt Stephan, über die heilige Elisabeth von Thüringen und über Werner Bergengruen — darüber gehen die „Versuche“, die dieses Buch zusammenfaßt. „Versuche“ ist entschieden ein zu bescheidenes Wort für diese Aussagen; mit Herz und

Verstand, mit Humor und Wirklichkeitssinn, mit Fragezeichen und sehr eindeutiger, bewußter Kritik schreibt Ida F. Görres. Und wenn unter den beschriebenen Heiligen auch nur zwei Nichtheilig-gesprochene sich befinden, so sind die Heiligen ohne Schema betrachtet worden und die beiden anderen genau so: die Heiligen rücken näher und die anderen werden in den Abstand gerückt, der notwendig ist, um Zeitgenossen richtig zu beurteilen. Ich weiß nicht, welches Kapitel ich am liebsten gelesen habe. Ich weiß nur und gestehe es der Autorin, daß ich manchmal (wie es unter Schreibenden vorkommt!) ein wenig neidisch wurde: „Warum konnte mir das nicht einfallen?!“ Aber wenn es nun da ist und geschrieben ist und so gut geschrieben ist, ist es ein Geschenk; ich hoffe, daß viele sich ebenso beschenken lassen.

Zu dem Kapitel „Das Füllhorn“, das Werner Bergengruens Werk betrachtet, muß noch gesagt werden: wer unsere Gegenwart besser verstehen lernen will, lese diese Seiten — und dann den dort gemeinten Meister.

IM LABYRINTH. Französische Lyrik nach dem Symbolismus. Herausgegeben und übersetzt von Max Hölzer. Piper-Verlag, München 1959. 79 Seiten. Preis 2.50 DM.

Gedichte der um die Jahrhundertwende und nachher schreibenden französischen Dichter sind hier versammelt. Sie sind ein „Labyrinth“, und das heißt — nach dem Nachwort —, daß sie ohne Geradlinigkeit und deshalb nur „Stationen“ sind: Übersinnliches und Sinnliches, Magisches und Alltägliches, Schönes und Prosaisches müssen füreinander einstehen und machen „Poesie“: gemachtes, aber verdichtetes Leben. — Namen: Breton, Saint-John Perse, Gracq, Cocteau, aber auch Claudel und Valery und Eluard und Prevert gehören unter die 26 zitierten und übersetzten Dichter. Vielleicht hätte es den Rahmen der Ausgabe gesprengt, wenn man den Übersetzungen auch den Urtext hinzugegeben hätte, aber dieser hätte jedem Dichter und jedem Leser (auch der Übersetzung; und vor allem dieser!) sehr genützt.

DER GEIST DER FRANZÖSISCHEN SPRACHE.Von Mario Wandruszka. Rowohlt-Verlag, Hamburg, ro-ro-ro Nr. 85. 145 Seiten. Preis 14.95 S.

Wandruszka versucht „Sprache als Zeugnis des Geistes“ darzustellen. Man wird durch Efhymologie und Geschichte verschiedener, für den Franzosen wesentlicher Worte geführt und erfährt die Hintergründe all dessen, was wir Ausländer „französisch“ nennen. Ob es einen besseren „Guide“ durch und in Frankreich gibt als diesen?! — Der Autor schreibt mit Courtoisie über „courtoisie“, mit Politesse über „politesse“, mit Esprit über „esprit“ — eine Fundgrube und eine Freude für den Sprachkenner und den Sprachliebhaber, für den Lernenden und für den Feinschmecker. Hier wurde ein bisher nicht beschriebenes Frankreich geistreich liebenswert gemacht.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung