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Aus dem Norden

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Lars Magnus Lindgren bescherte uns vor zwei Jahren die heitere Liebesgeschichte „Engel, gibt's die?“ Und verriet bei diesem Streifen bei aller Freizügigkeit ein bemerkenswertes, Feingefühl in den heikleren Szenen. War dieser Film mehr der vergnüglichen Unterhaltung zugewandt, so zeigt sein neuestes Werk „Lieber John“ einen beachtlichen Tiefgang im seelischen Bereich. Die Geschichte selbst ist relativ einfach, eine Liebesgeschichte, ein junger Schärerfkapitän trifft zufällig ein Mädchen, und aus einem anfänglich nur als Abenteuer gedachten Werben wird eine echte Liebe. Es kommt aber Lindgren gar nicht sosehr auf das Was an, etwa auf besondere Begebenheiten oder gar Sensationen, sondern auf das Wie, und hier erweist er sich als wahrer Meister der Schilderung seelischer Vorgänge. Es sind zwei junge Menschen, denen dieses gemeinsame Wochenende zum schicksalhaften Erlebnis wird. Oft in kühnen Rückblenden, in zeitlichen Verschichtungen, aber nie verwirrend, immer nur noch mehr vertiefend, wird dieses zögernde Suchen und Finden einer Liebe dargestellt. O ja, der Film hat eine Fülle von gewagten Szenen, aber nie wird er bedenklich, er hat immer nur ein Thema, eben das Thema Nr. 1, aber nicht das Sexuelle, immer den Eros, jene Sehnsucht nach Zärtlichkeit und Geborgenheit, jene Hingabe der Seele mit all ihrer Schmerzlichkeit und auch beglückenden Freude. Wenn schon ein Film in diese intimen Bereiche der Seele lotet, dann auf diese Weise, fernab jeder fragwürdigen Spekulation, ehrlich und wahrhaftig.

Ein aweiter hübscher Film kommt aus dem Norden: „Baronesse“, eine dänische Produktion, durchaus kein tiefgründiger Film, aber eine nette Unterhaltung, wohldosiert in jeder Hinsicht, zwar etwas breit, aber keineswegs langweilig, sondern immer amüsant, gut gespielt und gut photo-graphiert in den herrlichen Farben des Herbstes.

Ein außergewöhnlicher Film ist die russische Neuverfllmung des berühmten Romans von Leo Tolstoj „Auferstehung“. Eine virtuos geführte Kamera läßt auf den ausdrucksstarken Gesichtern in Großaufnahme all die seelischen Vorgänge sichtbar werden und besonders Tamara Sjomina, die Hauptdarstellerin, erweist sich als eine Künstlerin ersten Ranges, die eine ans Unwahrscheinliche grenzende Wandlungsfähigkeit besitzt. Man könnte sich einfach keine bessere „Katjuschka“ vorstellen. Besonders hingewiesen sei noch auf die vorbildliche Synchronisation.

Etwas viel nahm sich der amerikanische Streifen „Sylvia“ vor. Ein Detektiv soll das Vorleben einer Millionärsbraut erforschen und entdeckt dabei eine sehr bewegte Vergangenheit — Prostitution und Bordell heißen die Stationen dieser Dame —, aber er erkennt auch den unbändigen Drang dieses Mädchens nach einer Befreiung von dem Schmutz. Allerdings ist eine Darstellerin wie Caroll Baker einer solchen Rolle nicht gewachsen. Die Figur bleibt leer und ziemlich ausdruckslos, wodurch alle Seelenanalysen bedenklich konstruiert wirken.

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