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„Moses und Aron“ in der Staatsoper

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Künstlerischer Höhepunkt der Berlin-Woche in Wien war das Gesamtgastspiel der Städtischen Oper Berlin in der Wiener Staatsoper. Die Gäste waren, 240 Mann stark, in Sonderflugzeugen gekommen und hatten das schwierigste Stück ihres Repertoires, eines der anspruchsvollsten der Bühnenliteratur überhaupt, mitgebracht: Arnold Schönbergs unvollendet nachgelassene biblische Oper „Moses und Aron“. Wir haben an dieser Stelle, anläßlich der Berliner Premiere vor einem Jahr, ausführlich über das Werk, seinen Ideengehalt

Arnold Schönberg Zeichnung von B. F. Doblin und die Berliner Inszenierung berichtet („Die Furche“ vom 17. Oktober 1959). Nun sahen und hörten wir die Oper „Moses und Aron“ hier unter demselben Regisseur (G. R. S e 11 n e r), mit denselben Hauptdarstellern (Josef Grein dl und Helmut M e 1 c h e r t), unter dem gleichen Dirigenten (Hermann Scherchen), mit den Bühnenbildern und Kostümen des Picasso-Schülers Michel R a f f a e 1 i und mit der Choreographie der Mary-Wigman-Schülerin Dore H o y e r. Es spielte das Orchester der Städtischen Oper Berlin und es sang der Chor der Städtischen Oper sowie der Rias-Kammerchor. Hier wie dort wurde ein Teil der Chor- und Sprechchorpartien von Tonbändern wiedergegeben, die auch, quasi als Untermalungs- und Zwischenmusik, der von Schönberg nicht mehr komponierten letzten Szene (Arons Gericht) unterlegt waren.

Der Eindruck von einem ernsten, tiefreligiösen Ideendrama, in dem es um, die Auseinandersetzung zwischen der Erkenntnis des Moses vom „einzigen, unsichtbaren und unvorstellbaren Gott“ und dem Bilderglauben Arons und des abgefallenen Volkes geht, verstärkte sich beim zweiten Hören. Schönberg seinerseits, der sich nach dem 2. Buch Moses' den Text selbst geschrieben hat, begegnet der Gefahr der Abstraktion durch eine wirkungsvolle Dispositionsund Steigerungstechnik sowie durch eine außerordentlich reiche, vielfarbige Ausdrucks- und Klangpalette.

Die Oper beginnt mit Moses' Berufung (Stimme Gottes aus dem Dornbusch — chorisch, Stimme des Moses, wie im ganzen Werk — gesprochen). Hierauf folgt die Begegnung zwischen Moses und Aron in der Wüste (Dialog, zum Teil Duett, zwischen einer Sprech- und einer Gesangstimme). Das nächste Bild, Verkündigung der Gottesbotschaff und die drei Wunder Arons, ist eine Massenchorszene, mit welcher der erste Teil schließt. Nach einem kurzen Zwischenspiel folgt, optischer Höhepunkt, wiederum eine Massenszene (vor dem Berg der Offenbarung), mit dem orgiastischen Tanz um das Goldene Kalb. Das fünfte Bild schließlich zeigt Moses in einem letzten Gespräch mir Aron, der, freigelassen, tot umsinkt. Das Schlußwort des Moses „an alle“ lautet: „Aber in der Wüste seid ihr unüberwindlich und werdet das Ziel erreichen: Vereinigt mit Gott.“

Beeindruckt von dem ersten Werk und der bewunderungswürdigen Leistung aller Ausführenden, hat das spürbar ergriffene Publikum in der Staatsoper den Berliner Gästen minutenlang applaudiert. Die Musik, gewiß, ist hart, dissonant und von unheimlicher Intensität. Aber kann man einen solchen Btoff-'ä b Meyerbeer der Puedrofcwärtenanifc DJrswt> empfanden; ;die era^Abend ei totrj*ieteBdie:>dtiri; Musik Schönbergs sonst fernstehen. — Erfreulich war auch, daß es keinerlei Störversuche gab und daß, im Gegenteil, das Wiener Musikpublikum ein so starkes Interesse zeigte, daß beide Vorstellungen schon mehrere Tage vor der Premiere bis auf den letzten Platz ausverkauft waren.

Dieser Erfolg war freilich aufs beste vorbereitet: Einige Tage vor der Premiere hielt Deutschlands profiliertester Musikkritiker und Schönbergbiograph, Professor H. H. Stuckenschmidt, einen ebenso gehaltvoll-instruktiven wie fesselnden Vortrag über Arnold Schönberg und sein Werk mit Musikbeispielen. Diese Veranstaltung der Österreichischen Kulturvereinigung im Schubertsaal des Konzerthauses fand solches Interesse, daß der Saal nicht nur bis auf den letzten Platz besetzt war, sondern daß auch etwa 200 Personen keine Eintrittskarten mehr bekommen konnten. — Der Besuch dieses Vortrages und der beiden (einzigen) Vorstellungen von „Moses und Aron“ zeigt, daß auch in Wien ein ziemlich großer Kreis vorhanden ist, der sich für Neues in der Oper interessiert. Mit Pizzetti und Menotti ist aber gerade diesem Publikum schlecht gedient.

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