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Odysseus und Pene Jofte

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Da er zur Schwelle kam, stockte sein Fuß, und noch einmal wandte Odysseus sich um: es war Abend geworden. Leer lag der Hof, und die weißlichen Mauern verschwammen still mit den Fäden der Dämmrung, doch höhere Ränder und auch die Stirne des Hauses umspiegelte Himmel. Hoch in dem Fernsten, und kaum noch dem Auge erkennbar, standen drei himmlische Segel aus Dünsten der Späte bläulich und steif...

Weit war die Welt, und ein Kleines darin war die Insel Ithaka ... Und es gedachte Odysseus beim Anblick seines Gehöftes der herrlichen Mauern von Troja, dachte der leuchtenden Zinnen...

Und er trat ein. Als den dunklen Gang er durchschritten, fand er ein Licht in der Kammer der Gattin und fand auch sie, die Geliebte. — Die Stille zerbrach nicht. Denn lange waren sie beide getrennt. (Und es gibt eine Grenze, die sich dem Wort nicht mehr fügt: denn das Übermaß Trennung kennt keine Mitteilung mehr. Nur noch eines bleibt: Schweigen und das Ertragen des Schweigens.)

Das Meer der Erinnrung rauschte und rauschte und schwoll, wie wenn ferne Gesänge dunkel und unbestimmt lockten. Und Küsten erklommen schimmernd den Blickkreis und sanken. Das Hinterhaupt lehnte schwer an dem Pfosten der Tür: so hatte Odysseus fiebernd am Mastbaum gelehnt, als an Händen und Füßen schneidend gefesselt, er trunken dem Lied der Sirenen friedlos gelauscht...

Fragte Penelope? — Warten war Wesen geworden, nicht mehr gerichtet auf Ziel. Es war Schmerz und Erfüllung. Nun, da er kam, da er da war: was half ihr zu fragen und zu beschwören den Duft aus den Meeren, den Odem aus den bewucherten Küsten gewürzschwerer Länder: jedes war fremd und fast feind.

Sie gießt Wein aus der Kanne vorsichtig ein in den Becher und bietet ihn wortlos. Lächelt. Doch kaum. Und Odysseus hebt sinnend die Hand auf, faßt nach dem Becher. Die Hand liegt gebräunt auf dem Tische. Aber er greift nicht. Denn fern ist der Gedanke und Auge. Groß ist das Bild der Erinnrung. Und fassungslos Weite. Schöne und Glänze des Wechsels und Dunst von Gefahren, Stürme und jähe Verwandlung: die Stille der Götter, und hinter allem Geschauten ein Nur-zu-erahnen ... Nimmer Genüge und Heimkehr. Ein Fremder im Hause nun und zum Ende des Lebens. Ein Glück, das er niemals je werde mitteilen können. Und immer, wenn beide je in der Kammer hier säßen, das Schweigen und Warten ...

Doch da er dasaß, wie fremd und erfüllt von Gesichten, die er zu bergen nicht wußte, und weit wie die Meere sah er die Gemme. — Sie leuchtete. In ihrer Klarheit sah er, was er je gesehen, und die äußersten Fernen, die er erreicht, und -die Segel der fernsten Gewölke ... Und er umgrenzte den Stein mit der Fassung des Wortes, sagte Penelopes Namen...

Die Stunde trat über aus dem Gelaufe der Zeit und blieb köstlich.

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