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„Othello“ auf Reisen

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Das Burgtheater geht in diesen Tagen mit dem neuen „O t h e 11 o" auf eine Deutschland- Tournee. Dieser „Othello“ kann sich sehen lassen. Ewald Baiser als der edle Mohr, Käthe Gold als Desdemona, Albin Skoda als Jago; und, um sie, das Ensemble der Burg, wobei selbst „kleine“ Rollen vorzüglich besetzt sind, so Jagos Gattin Emilie mit Liselotte Schreiner. — Der Grundton dieser Neuinszenierung (Glücksmann) liegt auf der Verinnerlichung. Man kann sich, sehr leicht, Othello barbarischer, wilder, schreiender,. Jago dämonischer und heimtückischer, Desdemona „dramatischer" vorstellen (und muß doch noch nicht in leerem Bühnenpathos ersticken). Die Vorzüge der Aufführung liegen aber eben hier. Baiseis gegenwärtiger „Mohr von Venedig“ ist in jedem Zoll ein adeliger Herr, ein Maurenfürst; tief befangen in seiner Würde, seiner Ehre, im Bewußtsein seines Wertes und seiner Verantwortung, und eben deshalb genau so befangen in seinem Wahn. Skodas neuer Jago ist kein Teufel, sondern ein kalter Rechner, eine sehr zeitnahe Erscheinung, ein Mann, der mit allen Mitteln hochkommen und sich durchsetzen will. In Fesseln, vor seiner Folter, steht er im letzten Bild noch da, ruhig und kalt, einer, der nachsinnt, wieso seine Rechnungen denn doch nicht ganz aufgegangen sind. Eine sehenswerte Studie. Die Desdemona der Käthe Gold: eine rührende Erscheinung, ohne die Aufdringlichkeil; des Rührenwollens und der Sentimentalität. Auers Cassio, Buschbecks Rodrigo, Bettacs Doge geben dieser Vorstellung jene Rundung, jenes Ebenmaß, das sie repräsentativ im guten Sinne macht. Viel Glück auf die Reise!

Peter Scharoff inszenierte in der Josefstadt J. S. Turgenjews Komödie „Ein Monat auf dem Lande“ mit dem langen Atem, der Geduld und Genauigkeit russischer Regisseure, die zu allererst auf den Dichter und sein Werk, dann auf die Schauspieler und zuletzt auf das Publikum sehen. Es bedarf also aller guten Kräfte, um hier mitzuhalten. Der „Inhalt" ist gering und unwesentlich. Natalja Petrowna (Hilde Krahl) langweilt sich aut ihrem Gute, neben ihrem etwas linkischen

Gatten und ihrem Freunde; sie verliebt sich in einen jungen Hilfslehrer, einen Studenten, der für einen Monat ihr Heim teilt. Dieser Inhalt reicht nicht über den Gehalt einer Gartenlaubennovelle hinaus.

Die innere Melodie ist alles. Diese wird von der Kraft der Krahl getragen. Ohne sie sänke das Stück in ein Nichts zusammen, ein Luftballon. Ihre Partner sind ihr nicht ganz gewachsen, das soll wohl so sein, unterstreicht in der Aufführung aber doch die große Leere, die in der „Langeweile“ um diese Frau (und das Stück) ist.

Der Flame Paul W i 11 e iki s schrieb für die Gäste seines Hauses ein Stück, das er in dessen romantischen Park auf führen ließ: „Bärenhäuter.“ Man kann sich gut vorstellen, daß, nach reichlichem Mahle und gutem Umtrunk, dieses Märchenspiel, in dem Frau Sonne und Herr Mond die Zuschauer, die in einem alten aufgelassenen Teich sitzen, als Fische anreden, recht ergötzlich wirkt; zumal, wenn man annimmt, daß die Schauspieler selbst Herren und Damen der gutgelaunten Festgesellschaft sind. Herr Specht und Frau Specht necken sich, drei Brautwerber foppen sich, ein alter Herr sucht reiche Freier für seine Töchter (sitzen sie nicht im Publikum?) und der Bärenhäuter, Grimms Märchen entlaufen, und mit einem winzigen Akzent aus der Gegenwart behaftet, gewinnt sich sein Weibchen. — Das Publikum im Volkstheater kam durch einen regenschweren Abend ins Theater und wußte mit diesem Märchenspiel nicht allzuviel anzufangen. Ein Faschingsstück für Kinder, und wir hoffen, daß recht viele Kinder das Spiel zu sehen bekommen. Für Erwachsene fehlt ihm der Geist, die Poesie (trotz gelegentlicher Stil-Blüten und Reminiszenzen an Dichtung), die Ironie, die überlegene Gestaltung des Stoffes. Redliches Bemühen der Schauspieler. Walter Kohut, Kurt Sowinetz, Karl Skraup (als Komiker), Traute Wassler, Susi Peter, Helmi Maren.h. Farbige Kostüme und Bühnenbilder bringen Licht und Farbe in das einfarbige, dürftige Geschehen. Viel Mühe um ein dünnes Spiel.

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