Peter Handke: Vertraut und fremd zugleich
Wie ein roter Faden ziehen sich biographische Spuren durch das Schaffen von Peter Handke. Auch in seinem neuen Roman „Die Ballade des letzten Gastes“ finden sie Widerhall.
Wie ein roter Faden ziehen sich biographische Spuren durch das Schaffen von Peter Handke. Auch in seinem neuen Roman „Die Ballade des letzten Gastes“ finden sie Widerhall.
Er wolle bald mit etwas Neuem beginnen, so Peter Handke im Juni letzten Jahres zu mir. So etwas wie die „allerletzte“ Erzählung. Er schenke mir schon mal den Titel: „Die Ballade des letzten Gastes“. Und es ist erstaunlich, mit welcher Präzision Handke seine Vorhaben zeitlich terminiert. Denn jetzt liegt diese Ballade vor; am Ende, wie so oft, mit einer Zeitangabe der Niederschrift: „September bis November 2022“.
Zunächst greift Peter Handke auf das, was er einmal seinen „Ahnenkult“ nannte, zurück. Die Hauptfigur trägt den Namen Gregor. Bereits im allerersten Roman 1966, „Die Hornissen“, gibt es einen Gregor als Hauptfigur. Damals meinte die Literaturwissenschaft noch Assoziationen zu Franz Kafkas Gregor Samsa ausfindig machen zu müssen. In Wirklichkeit war es eine Hommage auf Handkes Taufpaten Gregor Siutz (oder, slowenisch, Gregor Siveč), einem der Brüder seiner Mutter, der im November 1943, 30-jährig auf der Krim seinen Tod fand, vier Monate nachdem Hans, sein neun Jahre jüngerer Bruder, im Norden Russlands gefallen war. Sein Patenkind hatte Gregor nie gesehen, aber der junge Peter Handke hatte die Briefe seines Onkels gelesen und den Lebensweg verfolgt; das Studium 1932‒1937 auf der Landwirtschaftsschule in Maribor, die Rückkehr in sein Dorf als ein „überzeugter Jugoslawe“ und die Abkommandierung in die Wehrmacht, zwangsrekrutiert als Kärntner Slowene und, das noch dazu, auf einem Auge erblindet.
Wieder ein Gregor
Seither transformiert Handke seinen Onkel immer wieder in seine Stücke und Prosa. 1981, in „Über die Dörfer“, besuchte Gregor seine auf dem Land lebende Familie in einer Erbschaftsangelegenheit und traf dort seinen Bruder Hans. In „Die Wiederholung“ von 1986 machte sich jemand auf die Suche, seinen verschollenen Bruder Gregor im zu Jugoslawien gehörenden Slowenien zu suchen. Und in „Immer noch Sturm“ triumphierte 2010 Gregor als Widerstandskämpfer gegen die Nazis.
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