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Poet und Politruk

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Das Bekenntnisbuch eines Mannes der „heimatlosen Linken“. Eines von vielen. Aber kein durchschnittliches.

Da sensible, von vielen Aengsten gequälte Kind aus katholischem saarländischem Milieu fühlt sich früh „solidarisch mit allen, die im Märchen und in der Stadt verfolgt und gefoltert werden“. Der erste Weltkrieg bringt den jungen Soldaten nach mancher, von ihm selbst als Flucht nach vorne erkannten Mutprobe an den Rand einer gefährlichen Nervenkrise. Nur schwer findet er den Weg zurück. Als Mitglied zunächst der Formation „Reichstag“ steht er in Berlin gegen den Spartakus. Die Ermordung Karl Liebknechts und Rosa Luxemburgs lassen ihn darauf in München die Barrikaden tauschen. Studienjahr in Heidelberg sehen ihn künftig im Bannkreis Heinrich Georges. Her und hin, hin und her: ein Mann der „verlorenen Generation“ des ersten Weltkrieges sucht seinen Weg. Beinahe hätte dieser Weg in dem beschaulichen Dasein des „Prinzgemahls“ der Tochter eines Warenhauskönigs geendet. Aber auch dies war nur ein Zwischenspiel. Die Reaktion: Regler reiht sich in die Reihen des Berliner KP-Künstlerkollektivs ein, erzielt mit dem expressionistischen Zuchthausroman „Wasser, Brot und blaue Bohnen“ einen literarischen Durchbruchserfolg, schlägt sich am Wedding mit der SA herum und findet die Frau seines Lebens. Weitere Stationen dieses bewegten Lebens: Paris, wo er Mitarbeiter am „Braunbuch“ des KP-Exilpropagandisten Willy Münzenbergs ist (Keglers genauer Kenntnis des Berliner Reichstagsbrandes durch seine Tätigkeit im Wehrverband dieses Namens ist der heute von der zeitgeschichtlichen Forschung allgemein anerkannte Beweis zu verdanken, daß die Brandstifter nur durch die Räume des Reichstagspräsidenten — dieser war 1933 bekanntlich Göring — in das deutsche Parlament eindringen konnten), Moskau im Jahre des Schriftstellerkongresses und der großen Tschiska, der Abstimmungskampf an der Saar, spanischer Bürgerkrieg, schwere Verwundung, Bruch mit dem Kommunismus und doppeltes Exil in Mexiko.

An Reglers Lebensbericht interessieren vor allem die vielen Begegnungen mit Zeitgenossen, deren Porträt er mit scharfem Stift zeichnet: de Gaulles Propagandist Malraux wird uns in seiner kommunistischen Phase als dem Autor innerlich besonders nahestehend vorgestellt, der ostdeutsche Statthalter Ulbricht als „Professor Unrat der Revolution“ (S. 232) scharf abgetan. Auch der erst vor Jahresfrist aus der DDR geflohene Alfred Kantorowicz bekommt keine guten Zensuren u. a. m.

Für den katholischen Leser ist es bedeutsam, immer wieder feststellen zu können, wie Regler — ob er mag oder nicht — durch unsichtbare Fäden auch in den Zeiten seiner weitesten Entfernung noch mit dem Glaubensgut seiner Kindheit verbunden ist. Religiöse Fragestellungen kehren in dieser und jener Form immer wieder. Nicht zuletzt gaben sie diesem Bericht eines bewegten Lebens in bewegter Zeit Titel und Grundidee.

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