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Roman einer Landschaft
BITTERE LIMONEN. Erlebtes Cypern. Ein romanhafter Bericht von Lawrence Dur-r c 11. Rowohlt-Verlag, Hamburg. 307 Seiten, Leinen. Preis 16.80 DM.
BITTERE LIMONEN. Erlebtes Cypern. Ein romanhafter Bericht von Lawrence Dur-r c 11. Rowohlt-Verlag, Hamburg. 307 Seiten, Leinen. Preis 16.80 DM.
Lawrence Durreil, der irische Erzähler, dessen vier Romane seines sogenannten Alexandria-Quartetts, nämlich „Justine“, „Balthasar“, „Mountolive“ und „Clea“ (sämtlich bei Rowohlt), ihn, nachdem er bereits in einer Reihe von Ländern ein festes Publikum erobert hatte, auch dem deutschsprachigen Leser nahebrachten, und zwar mit der Geschwindigkeit einer Liebe auf den ersten Blick, ist mit seinem Cypernbuch etwas gelungen, das viele anstreben, aber nur wenige erreichen: Er hat den Roman einer Landschaft geschaffen.
Er kam als Privatmann auf die Insel, lebte dort drei (politisch denkbar unruhige) Jahre bis 1956, hatte längere Zeit auch als Beamter der englischen Cypernregie-rung gearbeitet. Was er vorlegt, sind Berichte, schlicht, unprätentiös, über Tatsachen, über Menschen, griechische und türkische Cyprioten, deren Freundschaft er gewann, die er mit unsentimentaler, dafür aber um so herzlicherer Liebe ins Herz schloß. Ob er von dem temperamentvollen Spektakelstück eines Hauskaufes erzählt, was an sizilianische Volksszenen erinnert, und daran, daß Sizilien einst als Auswandererland quasi das Amerika der Griechen darstellte, oder von den hundertsieben einheimischen Heiligen sowie den weiteren dreihundertfünfzehn auswärtigen Heiligen, die lediglich nach Cypern kamen, um hier beerdigt zu werden, ob er die tragischen politischen Wirren der um ihre Freiheit ringenden Inselbewohner beleuchtet oder schildert, wie er als Fremder, immer wieder überschwengliche Gastfreundschaft genießend, in die Gemeinschaft der Dorfbevölkerung aufgenommen wurde — Bild um Bild schließt sich zusammen zu einem Erlebnispanorama, das das Wesen der von strotzendem Leben erfüllten Insel präzise und wahrhaftig einfängt.
Was nun den Zauber dieses Werkes betrifft, was es zu einem Schatz macht, den man unter die Sammlung seiner liebsten Bücher einreiht, ist seine allgegenwärtige Menschlichkeit, die sich, am Wesen vor allem der Inselgriechen, zu einem jeden Gegenstand und jeden Gedanken durchwärmenden Feuer entzündet, ist der redliche, männliche Humor, der auch der schmerzlichsten Situation noch ein weise Lächeln, ein Lächeln des Verstehens oder der Freundschaft von Mensch zu Mensch, abzugewinnen weiß.
Durreil, als Ire selbst ein Inselbewohner, der die Problematik einer zornigen und fruchtbaren Spannung zu benachbartem Nationalstaat ebenso von innen her versteht wie generationenlange Kämpfe gegen fremde Oberherrschaft, war wie kaum ein anderer berufen, die Fragen, die das griechische Herz im Verhältnis zum Mutterland wie zur englischen Mandatsmacht bewegen, darzustellen — reich an Tragik, an Resignation, an Mißverständnissen, allzu menschlich im Grunde und darum nie ohne die Möglichkeit einer Versöhnung. Mit solchem Aspekt endet das Werk; die Beilegung der Cypernkrise, der Sieg der Vernunft, wenngleich auf dem Boden zahlreicher Kompromisse, hat seiner Voraussage mittlerweile längst recht gegeben.
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