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Salzburger Gloria

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Hat man Wickenburgs „Salzburger Gloria”, den „Tag einer Landschaft”, mit dem Dichter in beglückender Seelengemeinschaft und darum selig, verträumt, erwacht man hernach zur grauen Wirklichkeit der Unkultur im Dienste des Kaufmanns und de Raufmanns, unter einem Himmel, in dessen Blau nicht mehr jene Orgelklänge schwingen, die aus Trakls Vermächtnis dieser zauberische Bericht ich zum Motto wählte, sondern der dumpfe Schrek- ken der atomaren Gespenstigkeit: dann fragen wir uns vergebens, warum die glockenreine Stimme eines wahrhaften Poeten und des gültigsten Zeugen aus Salzburger Aura noch immer nicht den Jahrmarktlärm o vieler um die Festspielstadt kreischender Betriebsamkeit übertönt hat. Wo bleibt die geziemende Anerkennung der berufenen Kritik für dieses hohe Lied von der einzigartigen Landschaft und von den Menschen, die sie umhegt: für den, der es uns gesungen hat?

E . klingt aus einem kleinen Kunstwerk, In dem ich die kongeniale Zeichnung Kay Krasnitzkys dem Text Erik Wickenburgs gesellt. Barock und deshalb auch mitunter wunderlich in seiner wunderholden Wortwerdung des tief ins Wesen eindringenden Gedankens ist der Stil mit seiner in aller Männlichkeit die Nähe des Kindes Italien ahnen lassenden Eigenart. Und diese beschwörende Kraft des Abrollens einer Handlung, die keine ist — weil sie von weit her der geringsten Berührung mit dem Kommerz ausweicht und da sie, obzwar im zeitgemäßen Fahrzeug dem Fortschritt, doch als einer nicht an sich ethisch zu bewertenden Bewegung huldigend, im Urgrund zeitlose, währende Gegenwart und Beharrung ist.

So blicken wir auf das klare, kühle, gesegnete Wasser, das aus den Bergen bis in die Residenzstadt der Fürsterzbischöfe strömt und vor seiner gleichbleibenden hypnotischen Kraft verschwimmen ineinander die Jahrhunderte: Marcus Sittikus und Wolf Dietrich, Richard Strauss und Holzmeister. Salzburg, die unvergeßliche Stadt, Hellbrunn mit seinen Wasserkünsten — immer wieder als Leitmotiv das flüssige Element 1 —, das köstliche kleine Theater mit seinen mechanischen Figuren. Auf dieses Vorspiel folgt die Fahrt hinauf ins Bergland, die Glocknerstraße. Ein einsamer Höf hoch in den Alpen und darin nebeneinander der Glanz unbewußter und ungenossener Schönheit, der tägliche Jammer drückender Not. Nun in den Pongau, zu Werfen, der Burg, und zum Schloß Fuschl. Mit welcher wahrhaft adeligen Anmut versteht es der Dichter, aus der vornehmen Banalität eines guten Mittagessens im Rahmen eines allerdings sehr unbanalen Gästehauses (beileibe keines Gasthauses I) eine Idylle zu schaffen, die in zarter Farbe und in würziger Kraft gleichsam der mittelalterlichen Bilderhandschrift eines Ritterepos entnommen dünkt. Hernach der Besuch im Försterhaus: eher Eichen- dorffsche denn Tiecksche, also echtere Waldeinsamkeit. Es blüht die blaue Blume, und siehe, auch „die Luft war lichtblau und leicht… ln der Ferne ein zerrissenes Gebirge… in den wolkenlosen Duft hinaufdrängend, windschiefe, von unfaßlichen Gewalten ausgekämmte Kolosse, deren unzählbare Spitzen wie Schöpfe vorgeneigt nach Osten zeigen”. Eine Landschaft also, geschildert von Adalbert Stifter und gemalt von Waldmüller; dennoch hörbar — die Sinneswahrnehmungen verschmelzen hier ineinander — durch den ihr eigenen Ton.

In rascher Folge wechseln Kontrastbilder miteinander ab. Ein dionysischer Bauernkirta und ein auch in seiner Milde streng geordneter Kirchengang. Beides dem naturhaften Menschen gleichermaßen selbstverständlich. Schon dämmert wieder ein Abend, der letzte einer Fahrt nicht nur in die Weite, sondern auch in die Tiefe des Ich, das sich geheimnisvoll in der eingewohnten Umwelt spiegelt, wie diese in ihm. Eine Pilgerschaft nach Maria-Plain; und wieder Salzburg, der Sankt-Peters-Friedhof. Zuletzt, scheinbar ein unvermittelter Schluß der Reise, die Erzählung eines Arztes vom christlichen Sterben. Und plötzlich, gleich dem Zündholz, das in dunkler Nacht aufflammt, am Salzachufer, entlang dem „endlosen Rappenzug des Flusses, der unseren letzten Salzburger Abend zu Grabe geleitete”, erstrahlt in erleuchtender Helle der innerste Kern der Mär von Jedermann, den an Schätzen Armen und an herrlicherem Gut so Reichen im Lande der ewigen Berge und der unerschöpflichen Gewässer: zugeordnet sind wir, geformt von der schönsten Kunst, und sie formend, umhegt von der erhabenen Natur.

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