6598222-1953_20_06.jpg
Digital In Arbeit

Schauspielereien

Werbung
Werbung
Werbung

Die Wiener Premiere „Die E r b i n“, ein Schauspiel nach dem Roman „Washington Square“ von Henry James, geschrieben von Ruth und Augu-stus Götz, im Volkstheater brachte Heidemarie Hatheyer in die Stadt zurück, aus der sie einst als unbekannte kleine Schauspielerin ausgezogen war, um die deutsche Bühne, dann auch den deutschen Film zu erobern. Frau Hatheyer ist eine der stärksten Begabungen der jüngeren Generation. Eine Intellektuelle, die auf den Zentimeter und auf die Sekunde jede Bewegung, jedes Wort durchdacht und dwebformt hat, die meisterlich Regie zu führen versteht mit ihren Kräften. Die ihren Innenraum beherrscht und seine Register prächtig zu nützen weiß. — Neben ihr freute man sich über eine Wiederbegegnung mit Johanna Terwin-Moissi. Ueber das Stück läßt sich mit einiger Redlichkeit wenig Gutes sagen. Eine amerikanische Gartenlaube, in der auch ernste Themen entkörnt und verharmlost werden, indem sie auf einlinige Rollen reduziert werden, auf Figuren, die ihr Schlagwort sagen und dann abtreten; oder auch auf der Bühne stehenbleiben. Die „Erbin“ ist ein reiches Mädchen, das sich für ein mißratenes kleines Ding hält, weil sein Vater, verliebt in seine bei der Geburt des Kindes gestorbene Frau, es mit Haß- und Liebeskomplexen terrorisiert. Der erste Filou und Mitgiftjäger gewinnt ihr Herz, da er ihr freundliche Dinge sagt. Als sie diesen Windbeutel durchschaut, erstarrt sie zu Eis, läßt den unglücklichen Vater einsam sterben, und wird, so die Autoren keine weiteren Pläne mit ihr vorhaben, in Jahrzehnten einsam, schön, kalt und unglücklich vergilben. — Diese Moritat wird auf der Bühne in sieben Bildern grausam abgehackt exerziert, wobei die Heldin in jeder Szene einen andern Cbaraktertypus darstellt; Beziehungen zwischen den verschiedenen Typen (die Schüchterne, die Liebende, die Hassende usw.) sind nicht recht ersichtlich. — Wiens Theaterpublikum würde sich freuen, Frau Hatheyer rocht bald in einem Stück wiederzusehen, d*s in sich Kraft genug besitzt, diese Begabung ein-

zufangen und in den Dienet einer besseren Siebe zu stellen.Zu den Wiener Festwochen stellt sich das Burgtheater mit der Aufnahme einer Salzburger Festspielinszenierung des Vorjahres ein. „D ie Träume von Schale und Ker n“, von N e s t r o y, bearbeitet von Hans Weigel, inszeniert von Axel von Ambesser, wirken in der Wiener Reprise noch dünner, gedehnter, als in Salzburg. Das phantasielose Bühnenbild von Znamenacek und die wenig einfallsreiche Musik von Feilitzsch verstärken den dürftigen Eindruck. Bleibt das Spiel von Hans und Hermann Thimig, das prächtige Terzett der drei unglücklichen Bräute Hilde Mikulicz, Gusti Wolf und Maria Kramer, das Stubenmädel der Inge Konradi. Die Selbstmordparodien, die Witzeleien vom „Tod“, der so „komod“ ist, wirkten am Tage der Premiere besonders makaber. Die treffende und treffliche Auseinandersetzung mit einem gewissen deutschen Romantizismus und das gelegentliche Aufklingen nestroyischer Tieftöne vermögen dieser Aufführung keinen repräsentativen Charakter zu verleihen. Darum aber ging es doch wohl bei dieser Wiener Festwochenpremiere?

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung