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Sonnenfinsternis

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„Sonnenfinsternis", Schauspiel in drei Akten von Sidney Kingsley nach dem gleichnamigen, 1941 erschienenen Roman von Arthur Ko es tier: Dem Volkstheater gebührt Dank und Anerkennung für eine eindrucksvolle Aufführung eines bedeutenden Werkes ideologischer und politischer Konzeption, gewichtiger Bekenntnisse zu den Idealen des Abendlandes und leidenschaftlicher Anklagen gegen ein Regime des Terrors. Die konzentrierte, vorbildliche Inszenierung Gustav M a n k e r s trägt zu dem starken Eindruck, den dieses Theaterereignis hinterläßt, ebenso entscheidend bei wie die Gewalt der Tragödie, die da vor unseren Augen abrollt. Da ist Rubaschow, ein marxistischer Dogmatiker und prominenter Revolutionär der „alten Garde", der wegen Abweichung von der stalinistischen Parteidoktrin unter die Räder der großen Säuberungswelle geraten ist. Da ist der innere Widerstand eines aufrechten Bolschewiken, von dem die Allmacht eines absoluten Terrors die Unterwerfung unter ein groteskes Geständnis verlangt. Da ist die Verzweiflung inmitten von Zweifeln und Schuldgefühlen, von Erkenntnissen und Trümmern zertretener Ideale. Da ist neben der äußeren auch die innere Ohnmacht des Gefesselten an das dialektische Denken, das den Gefangenen trotz seiner Läuterung, trotz seines Ahnens der wahren Wahrheit an den Fluch der konsequenten materialistischen Doktrin (und letzten Endes an die von ihm als absolut falsch erkannte Unfehlbarkeit) bindet. Und da ist schließlich seine Aburteilung, sein Ende, das er nicht als aufrechter Kämpfer wider den Marxismus, sondern sich unterwerfend begeht: als tragischer „Held der Sowjetunion".

Womit wir an eben der (in der dramatisierten Wiedergabe um eine kleine und doch so ausreichend große Spur von der letzten Konsequenz des Romans abgerückten) Stelle angelangt sind, an der das Unbehagen, das sich (neben anderem auch angesichts der Vermutung, daß dieser Rubaschow, wäre er keine erfundene, sondern eine historische Figur, von Chruschtschow postum rehabilitiert worden wäre) schon von allem Anfang an in diesem menscl lich tragischen Untergangsdrama eines Revolutionärs eingestellt hatte, zur Gewißheit der nötigen Distanz wird, die wir zwischen uns und den geschulten, in die Opposition getretenen rationalistischen Dialek

tiker Koestler, bei aller Anteilnahme und Hochachtung vor dem Bekenner Koestler, legen wollen. — Er trat, als ihm von der kommunistischen Hierarchie alle die Ideale der bolschewistischen Revolution verraten schienen und all die Greuel- taten sich als vergeblich herausstellten, aus der Kommunistischen Partei aus. Als sein ideologisches Gerüst zusammenbrach, gab er als routinierter Realist in konsequenter Befolgung einer Erkenntnis das dialektische Denken auf und akzeptiert unsere ihm bis dahin als fiktive, unrealistische Illusion erschienenen bürgerlichen Moralbegriffe. Er schrieb darauf ein Buch, in welchem er dieses Regime der Sklaverei und menschlicher Verbrechen bloßstellte: indem er des Irrtums bezichtigte, nicht so sehr der Amoral. Im übrigen analysierte er die bei aller unterdrückten Opposition auf die slawischen Gemüter so kräftig ausstrahlende kommunistische Doktrin, die selbst zum Tode verurteilte „Konterrevolutionäre“ dazu zu bewegen vermag (auch ohne Drogen), alles zu gestehen, was die Partei von ihnen verlangt. Er tat dem Westen einen großen Dienst damit. Gewiß. Und doch und wiewohl er zu einer demonstrativen Aktivpost der westlichen Argumentation wurde, gibt es keinen Grund, die unleugbare Wahrheit von der „Reinheit der Mittel“ und von der unbedingten Priorität des menschlichen Lebens vor der politischen Räson (für die Millionen Menschen starben, als er noch anderen „Glaubens“ war) aus seinem Munde als Offen-, barung zu feiern. Uns verkündet er ja nichts Neues. Er ist, wie sein Held an einer Stelle sagt, mit uns „nur im Negativen einer Meinung“. Einem erregenden politischen Dokument gab Günther Haenel (großartig), gab ein treffliches Ensemble eindringliche Gestaltungen: Aladar Kunrad, Evi Servaes, Ludwig Blaha u. a.

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