Traumwohnung sucht Mitbewohner

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Ein Wiener Start-Up-Unternehmen revolutioniert die Immobiliensuche im Internet. Was die Gründer über die Bedürfnisse von Suchenden wissen.

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Ein Wiener Start-Up-Unternehmen revolutioniert die Immobiliensuche im Internet. Was die Gründer über die Bedürfnisse von Suchenden wissen.

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Am Beginn jeder guten Idee steht ein Problem. Für Christoph Richter war das 2008 die Suche nach einer Wohnung in Wien. Der damals 26-Jährige hatte eine konkrete Vorstellung davon, wie sie ausschauen sollte. Und brauchte neun Monate, um etwas zu finden, das seine Erwartungen erfüllte. Neun Monate, in denen er sich stundenlang durch die Immobilienportale im Internet klickte, Suchprofile erstellte und Anzeigen durchforstete. Der Suchprozess war langwierig und ineffizient: "Viele Wohnungen wurden mir immer wieder vorgeschlagen, weil sie auf unterschiedlichen Webseiten angepriesen wurden. Andere kamen für mich klar nicht in Frage, wurden mir aber trotzdem immer wieder präsentiert."

Neun Monate, die Richter zu lang waren: "Das muss irgendwer verbessern", meinte er. Kurz darauf entschied er, dass er selbst derjenige sein wollte. Auf einer Veranstaltung für Start-Up-Unternehmer lernte er Andreas Langegger kennen, der gerade eine ähnliche Wohnungssuch-Odyssee hinter sich hatte. Die beiden Techniker verstanden sich auf Anhieb und beschlossen, gemeinsame Sache zu machen.

Semantik von Wohnungsinseraten

Richter und Langegger gründeten die Wohnungssuch-Plattform "Zoomsquare", die vor genau einem Jahr online ging. Eine Webseite und eine Applikation fürs Smartphone, die nach zwölf Monaten 20.000 regiestrierte Nutzer zählt, und über 70.000 Immobilieninserate in Österreich durchforstet. Dem Suchenden aber wird nur ein Bruchteil davon präsentiert: "Die Wohnung findet dich, nicht umgekehrt", meint Bernhard Holzer, der Marketingexperte des zwölfköpfigen Teams.

Zwei Jahre lang hat die Truppe, die für ihre Idee saftige Investitionen und öffentliche Förderungen erhielt, an der Entwicklung von Algorithmen gearbeitet, die Wohnungsinserate deuten können. Stellvertretend für den Wohnungssuchenden durchforsten sie, voll automatisiert, alle Immobilienseiten online und gießen die Ergebnisse in eine neue Maske. "Unsere Sprachexperten deuten die Semantik von Maklertexten", erklärt Richter, "und programmieren die Programme so, dass 'Bastlerhits' oder 'lichtdurchflutete Souterrains' richtig indexiert werden."

Neu ist auch die Stadtviertelsuche, die einschränkt,wo genau man sucht. "Im 16. Bezirk etwa ist es ein Unterschied ob man am Wilhelminenberg oder am Brunnenmarkt wohnt", meint Holzer, der vier Monate in die Erarbeitung der Wiener Grätzelkarte steckte. In kleinteiliger Recherche sammelte er umgangssprachliche Bezeichnungen für bestimmte Gegenden - und benannte manche Ecken kurzerhand neu: So kann man in Wien Wohnungen im "Gudrunviertel" (rund um die Gudrunstraße) oder im "Manner-Fabriksviertel" suchen.

"Die exakte Lage ist am allerwichtigsten", weiß Christoph Richter nach einem Jahr Suchbetrieb auf Zoomsquare, "Viele akzeptieren Abschläge bei der Wohnungsgröße, wenn die Lage stimmt." Überhaupt sei die Größe überwertet: "Wichtiger ist, wie viele Zimmer eine Wohnung hat."

Auch Balkon, U-Bahn-Nähe, Küche oder Lift werden häufig gesucht. Spezielle Vorlieben, wie eine Badewanne oder einen Fahrradabstellraum können priorisiert werden. Weil auch Ortsinfos und Umgebungsangaben mit den Inseraten verschnitten werden, ist auf einen Blick ersichtlich, wie weit die nächste U-Bahn-Station, der nächste Kindergarten oder ein Fitnesscenter entfernt sind.

Wohnungssuchen auf Englisch und Türkisch

"Die Wohnungssuche ist eine sehr emotionale Angelegenheit, bei der es um tiefliegende Bedürfnisse geht", meint Holzer. Eine Anwendung, die gut funktioniere, müsse daher die Bedürfnisse kennen und die Angebote richtig lesen können. Das ist der Grund, warum es Zoomsquare bisher nur im deutschsprachigen Raum gibt - Anfang 2015 startet die Suche in Deutschland und der Schweiz. Für Wien wird es bald eine englischsprachige Suche geben -ein Programm übersetzt die Maklerinserate und filtert dann das Passende heraus. Das könnte der erste Schritt in den englischsprachigen Markt sein. Auch eine türkische Suche für große Städte in Europa ist angedacht. Mittels Lärmdaten könnte in Zukunft abgeschätzt werden, wie ruhig ein Straßenzug ist. "Ideen haben wir viele, aber die Entwicklung ist sehr aufwändig", sagt Richter. Durch Investitionen und Förderungen ist das Unternehmen momentan ein Jahr ausfinanziert.

Im Schnitt dauert es vier Monate, bis ein Zoomsquare-Benutzer eine Wohnung gefunden hat - er ist damit mehr als doppelt so schnell wie Christoph Richter vor sechs Jahren. Der ist froh, vorerst nicht übersiedeln zu müssen. Das Unternehmen ist Beschäftigung genug: "Ein Start-Up zu gründen ist nicht mit Wohnungssuchen vergleichbar", lacht er: "Das ist so anstrengend wie Hausbauen. Mindestens"

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