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Urlaub im Jänner

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Es wird kaum einen Menschen geben, der nicht mitten im Winter von einem Urlaub träumt, weil er das Gefühl hat, daß er ihn nicht erst in ein paar Monaten, sondern schon jetzt, augenblicklich brauchen könnte. Das ist gar nicht so unbegreiflich. Die somnenarme, dunkle, unerfreuliche Jahreszeit, die in unseren Breiten monatelang dauert, zehrt an unseren Kräften, macht uns unlustig und energielos. Dazu kommt, daß der moderne Mensch viel zuwenig Bewegung macht, nicht nur im Winter, aber da ganz besonders. Er sitzt im Büro, im Auto, vor dem Femseh- schirm und kann sich nur schwer zu einem längeren Spaziergang aufraffen. Auch das Ist verständlich, wenn es sich um Stadtbewohner handelt. Sie erleben den Winter hauptsächlich in Form von Nebel, Quatschwetter oder scheußlicher Glätte und bekommen meist nur stundenlang einen wirklich weißen Schnee zu sehen. Den Winter, wie er am schönsten ist, kann man nur „draußen“ erleben.

Ausgezeichnet, werden viele sagen. Wir wissen genau, daß es herrliche Wintertage gibt, an denen vom tiefblauen Himmel eine starke Sonne auf die Weiße der Landschaft strahlt, und daß die reine Schneeluft unseren Lungen ein Labsal wäre. Aber was soll einer, der kein Skifahrer ist, in der tiefverschneiten Winterlandschaft anfangen? Ohne Bretter kann man nicht einmal wandern. Und bloß zuzusdhauen, wie die anderen die Hänge herunterjagen, macht keinen rechten Spaß. Davon bekommt man nur kalte Füße.

Diese Benachteiligung des erholungsbedürftigen Nichtsportlers hat es vielleicht früher gegeben, aber davon ist heute keine Rede mehr. Da es in Österreich kaum noch Gegenden gibt, die fernab von jeglichem Fremdenverkehr liegen, wird überall auch an den Urlauber gedacht, der keine sportlichen Ambitionen, sondern nur den Wunsch hat, in der frischen Winterluft zu marschieren. Dafür stehen schneegeräumte Straßen und selbstverständlich auch ausgeschaufelte Spazierwege zur Verfügung. Man kann sein „Bewe- gungssoll“ im Winter sogar besser erfüllen als Im Sommer, und zwar aus zwei Gründen: erstens gibt es auch auf Fahrstraßen keinen Staub und zweitens hat man bei Minus- graden viel eher das Bedürfnis, sich kräftig zu bewegen, als in der sommerlichen Hitze, die faul und müde macht. Wenn es kalt ist, muß man sich Warmlaufen, und gerade das ist es, was die Ärzte den Erholungsuchenden besonders ans Herz legen: Viel Bewegung in reiner Luft.

Wer eine intensivere Sonnenbestrahlung genießen möchte, wird sich klugerweise für eine Urlaubsgegend entscheiden, in der er mit Seilbahn oder Lift rasch und mühelos in höhere Regionen gelangen kann. Das ist vor allem für Jännerurlauber wichtig, die — sehr oft zu Unrecht — befürchten, sie könnten im Frühwinteir zu wenig Sonnentage haben. Das muß durchaus nicht der Fall sein. Aber wenn doch einmal über dem Tad der Nebel liegen sollte, sieht die Sache ein paar hundert Meter höher ganz anders aus. Oben scheint die Sonne nicht minder kräftig wie im März. ' Wir sprachen eben vom Jännerurlaub. Er hat gegenüber der winterlichen Hochsaison einige Vorteile, die erfahrene Winterurlauber längst zu schätzen gelernt haben. Die Quartiere sind preisgünstiger, Gaststätten und Hotels sind noch nicht überfüllt, man braucht sich nicht stundenlang beim Schalter der Seilbahn anzustellen, alles geht geruhsam und ohne lästigen Trubel vor sich — der Gast ist König und findet wirkliche Erholung.

Es ist also wirklich nicht nötig, daß einer, der sich zu Jahresbeginn bereits müde und ausgelaugt fühlt, den Erholungsurlaub lange aufschiebt. Er soll ruhig dm Jänner einen kleinen „zweiten Urlaub“ machen, er wird es nicht bereuen. Und vor allem wird es ihm dann gar nicht schwerfallen, bis zum Sommerurlaub durchzuhalten, denn er hat zur rechten Zeit neue Kräfte zu neuem Tun gesammelt

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