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Wie abtrünnig war Julian?
JULIAN. Roman. Von Gore Vidai. Verla Kiepenheuer & Witsch, Köln-Berlin. S45 Selten.
JULIAN. Roman. Von Gore Vidai. Verla Kiepenheuer & Witsch, Köln-Berlin. S45 Selten.
Die Christen nannten ihn „Apostatą“, den Abtrünnigen. Er aber wollte den alten Göttern erneut die Ehre geben und ihre verfallenen Tempel wieder h-ergesteüt sehen. Wir sprechen von dem römischen Kaiser Juliam, dem Neffen Konstantin des Großen. Gore Vidai folgt dem Weg, den Robert Ranke-Graves mit seinem bekannten Roman „Ich Claudius, Kaiser und Gott“, eingeschlagen hat. Sein Kaiser und Gott ist Julian, der mit 32 Jahren auf einem Feldzug in Persien den Tod finden sollte.
Wenn das Buch beginnt, ist alles vorüber. Der Hellenist Libanius aus Antiochia will ein Leben seines Schülers Julian schreiben. Er beginnt deshalb eine Korrespondenz mit seinem Kollegen, zu dessen Füßen auch einmal der Philosophenkaiser saß. Aus der Korrespondenz dieser beiden alten Männer, die es bisweilen an persönlichen Seitenhieben und kleinen Bosheiten nicht fehlen lassen, entwickelt sich das Leben des jungem Julian, dessen Vater von seinem Bruder, dem Kaiser Constantius, als potentieller Thronkandidat trotz seiner Harmlosigkeit gleichsam prohdbitiv beseitigt wurde. In der Atmosphäre ständiger Todesangst wächst der Knabe heran. Ist es ein Wunder, daß sich sein Herz gegen die Lehren seiner Erzieher — es sind arianische Bischöfe — zu verhärten beginnt? Später wird er einmal in seinem Tagebuch bekennen, daß es die Nichtachtung des Gebotes „Du sollst nicht töten“ durch die Christen — beziehungsweise durch die Menschen, die sich Christen nennen, war, die ihn den Blick zu den alten Göttern wieder heben ließ.
Aus dem vom Heute auf das Morgen um sein Leben bangenden Nobalgef amgenen wird, nachdem ansonsten das Haus der Flavier zu erlöschen droht, zunächst ein Cäsar und Heerführer. Doch die Angst bleibt. Sie weicht erst mit Constantius’ Tod, der dem an der Spitze seiner meuternden gallischen Legionen nach Osten marschierenden Julian die letzte Schlacht erspart.
Doch der Philosoph auf dem Kaiserthron ist ein einsamer Mensch.
Sein Vorsatz, der Gewalt zu entsagen, ist echt, jedoch bald fordert der Purpur von ihm andere Entscheidungen als man sie auf den hohen Schulen Griechenlands und Kleinasiens lehrte. Ein Eroberungsfeldzug nach Persien bringt das frühe Ende. Aber schon vorher ist der Traum, den Olymp mit den alten Göttern zu bevölkern, ausgeträumt. Es geht einfach nicht mehr. Julian selbst — vielleicht liegt hier der Kern der Aussage des Buches — kann sich nicht im klaren Licht des Hellenismus halten. Er gerät, einmal vom Christentum losgelöst, immer mehr in den Bannkreis vorderasiatischer Mysterienkulte. Die Sonne des alten Griechenlands ist endgültig untergegangen. Niemand, auch kein Kaiser, kann sie wieder zum Leuchten bringen.
Als Christen, mag uns manches, was der Verfasser durch den Mund seines Julian gegen die „Galiläer“ sagt, nicht gefallen. Auch verzerrt Gore Vidai da und dort die Perspektiven. Das soll uns jedoch nicht hindern, der ohne Zweifel hochinteressanten Person eines Imperators des 3. Jahrhunderts sowie seiner Zeit, die in diesem Roman zum Leben erweckt wird, unsere kritische Aufmerksamkeit zu schenken. Vielleicht sind sogar aus der Lektüre Lehren zu ziehen, die auch uns Menschen des 20. Jahrhunderts — Gläubige und Ungläubige — noch angehen.
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