7091323-1994_29_16.jpg
Digital In Arbeit

Wie ich Fotomodell wurde

19451960198020002020

Ein Modell mit originellem Habitus zwischen Frust und grandiosem Erfolg.

19451960198020002020

Ein Modell mit originellem Habitus zwischen Frust und grandiosem Erfolg.

Werbung
Werbung
Werbung

Der Mensch wünscht sich, was er nicht hat. Filmstars und andere Prominente wünschen - so erklären sie zumindest - unerkannt und unbekannt im Volk unterzutauchen. Ich hingegen, ein fünfmilli-ardster Teil des Weltvolkes, wäre gerne prominent, badete mit Vergnügen in Rewunderungsblicken und Rlitzlichtern, gäbe gerne Auskunft über meine Lieblingsspeisen und Lieblingsbücher, lächelte von Gangways und aus Limousinenfenstern, schüttelte Hände vor prächtigen Portalen, kurzum ich nähme das Ritual auf mich, eine Art Mischung aus Mitterrand und Stallone. Viele Wege führen zum Prominenten-Status. E)er einfachste, so scheint mir, ist der des Fotomodells. Für einen Mann, der nicht gerade in Radehosen von der Klippe springt, ist dabei körperliche Ästhetik sekundär. Wenn ich mir so anschaue, was da auf den Titelseiten von Polit-und Wirtschaftsmagazinen prangt, da müßte ich doch mithalten können. Der Resuch in einer Modell-Agentur, der ich mein Konterfei andienen wollte, war frustrierend. Nicht einmal für Rentenversicherungen und Geriatrica zu posieren, hielten sie mich für würdig, ganz zu schweigen für Kukident oder Rier. Ich solle, so riet man mir, erst einmal einen Model-Lehrgang absolvieren, eine sündteure und zeitraubende Angelegenheit, wie sich aus herausstellte. Kein heißer Tip für mich. Ich bin ein Naturtalent. Oskar Werner kam auch ohne Schauspielschule ans Rurgtheater. Daher beschloß ich, zu warten, bis ich entdeckt würde. Den vielen Fotografen, die motivsuchend in der Stadt umherirrten, müßte doch mein origineller Habitus auffallen! Genauso geschah es. Vor dem Riesentor des Stephansdoms war ich stehengeblieben, hatte einen Moment den Blick zur Fassade erhoben. Da! Klick! Und nochmals Klick! Die beiden Japaner verbeugten sich mit Dankesgesten. So ist das, dachte ich, die Heimat erkennt dein iTalent nicht, aber die Söhne des Fernen Ostens wissen, was ich bin und kann. Sogleich wiederholte ich bewußt diesen staunenden Blick zur Domfassade. Eine Italienerin stupste mich einen halben Meter zur Seite, damit vermutlich irgendein Eptaph auch als Hintergrund gut herauskäme, und drückte dann gleich mehrmals auf den Auslöser. Drei Amerikaner nahten mit surrenden Videokameras. Später ganze Gruppen von Fotografen. Blitzlichter zuckten. Mein Naturtalent wirkte. Die Nachfrage war international. Nach zwei Wochen rund um den Stephansdom probierte ich es bei der Pestsäule, beim Reiterstandbild im äußeren Rurghof, auf den Stufen des Theseu-stempels und vor dem Hundertwasser-Haus. Meine Pose „staunender Österreicher" wurde ein grandioser Erfolg.

Nun galt es, den Aktionsradius zu erweitern. Ich posierte vor dem Goldenen Dachl in Innsbruck, vor dem Drachen in Klagenfurt und vor Mozarts Geburtshaus in Salzburg. Ich erhöhte meine Attraktivität durch Anlegen von Landestracht, ich ließ mir einen Rart wachsen. Ich lieh mir eine Livree mit Goldlitzen. Der absolute Hit war jedoch eine weiße Barock-Perücke, mit der ich mich in der Altstadt von Salzburg auf Schritt und Tritt der Kameras gar nicht mehr erwehren konnte. Eines Tages kam ich ins Fernsehen. Das Kamerateam mußte gewußt haben, daß ich das berühmteste Fotomodell Österreichs bin. Jm Österreich-Bild widmete man mir drei Sekunden, untermalt von Takten aus der „Kleinen Nachtmusik". Ein Materialist bin ich nicht. Als reiner Künstler um der Kunst willen verschmähe ich die satten Gagen jener linkischen Kleindarsteller, die sich für Sonnencreme, Sparkasse und Waschpulver ablichten lassen. Meine prominente Perspektive zielt nicht mehr auf die Medien. In die Reisealben von Tokio bis New York, in die Videos von Paris bis Hongkong bin ich eingezogen. Was will ich mehr?

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung