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Dollfuß und Ulbricht

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„Deutsche schießen auf Deutsche“ — etwa an der Berliner Mauer? Die tragische Wirklichkeit dieses in Leitartikeln schon fast zu Tode gerittenen Satzes bedeutet dem täglichen Zeitungsleser kaum noch etwas. „Deutsche schießen auf Deutsche“ — nicht dn Berlin, sondern in Österreich. Und der Vergleich zwischen dem, was sich heute in Berlin abspielt, und den tragischen Ereignissen, die nun schon mehr als dreißig Jahre zurückliegen, stammt von der rechtsradikalen „Deutschen Na-tional-Zeitung und Soldaten-Zeitung“, die in letzter Zeit sich sehr um Österreich „kümmer.

Nun — Tatsachenberichte, gute und schlechte, zum 12. Februar 1934 waren in den letzten Wochen genug zu lesen. Und so versuchte auch Doktor Berthold Rubin — Altertumshistoriker an der Kölner Universität — eine Interpretation dieses unglückseligen Datums.

Mit eigenartigen Mitteln freilich.

Mit dem überwunden geglaubten Wortschatz großdeutsch-nationaler Prägung. Fast könnte man glauben, einige Nummern des Blattes der illegalen Nationalsozialisten, des „österreichischen Beobachters“, haben dem Verfasser als Quelle gedient. „Getrennt marschierend und damit auch getrennt geschlagen“, heißt es da etwa, „vollzog sich einige Monate später der Aufmarsch der österreichischen Nationalsozialisten gegen das Dollfuß-Regime.“

Daß eines der vielen Opfer dieses „Aufmarsches“ der österreichische Bundeskanzler war, wird nur in einem Nebensatz erwähnt. Ein Bild des Anhaltelagers Wollersdorf dagegen illustriert eine seltsam-durchsichtige Sympathie: „ ... die Nationalsozialisten (wanderten) gemeinsam mit den Sozialisten ins KZ!“

Bald darauf saßen Österreichs Sozialisten im wirklichen KZ. Zusammen mit den Gegnern von gestern. Und bewacht von den alten „Freunden“. Befinden sich die sozialistischen Februarkämpfer somit in recht zweifelhafter Gesellschaft, so gelang dem Kölner Professor in einem einleitenden Kommentar ein an Bosheit, ja Geschmacklosigkeit kaum zu überbietender Vergleich, versucht er doch, Parallelen zwischen — Ulbricht und Engelbert Dollfuß zu konstruieren.

Die „Deutsche National-Zeitung und Soldaten-Zeitung“ liegt übrigens — auch — in Österreich auf. Wer sie wohl kaufen mag? Wer wohl daraus sein politisches Weltbild formt? Und wer wohl ihre Verbreitung fördert?

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