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Es „jult“ schon sehr

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Man kann in diesen Tagen sein- verschiedene Meinungen über den Hauptzweck der Weihnachtszeit hören. Vom Kommerziellen bis zum Asketischen ist da ein breiter Bogen gespannt. Aber daß Weihnachten ausgerechnet dafür erfunden wurde, auf daß wir uns besinnen,

„die Pflichten gegenüber unserem

Volk zu erfüllen“, ist eine nicht ganz gebräuchliche und verbreitete Erkenntnis. Wir haben sie in den letzten Jahren nicht einmal aus dem Osten gehört, wo man Väterchen Frost stillschweigend in die .russischen Wälder zurückbeorderte. Aber wir stützen uns auf eine inländische Quelle, die im Nebelmonat erschienene Nummer der „Bundestumzeitung des „Österreichischen Tumerbundes“. Der Bundesdietwart Joseph Hieß, dessen seinerzeitiges Grazer Weihefestspiel noch in unserem Angedenken weiterlebt, bemüht sich selbst, unter der mahnenden Zeile „Grundsätzliches, Ratschläge, Hinweise“ ein genaues Programm zur Gestaltung einer Jul- feier zu entwickeln.

Nun ist es in unserem demokratischen Staat gewiß Sache jedes einzelnen, zu feiern, zu singen und zu preisen, was immer er will. Nur gibt es da so etwas wie einen Namensschutz. Wenn einer gar nicht von Weihnachten Notiz nehmen und reden will, dann mag er es eben so halten. Wenn aber ein Verein, dessen Mitglieder in der Hauptsache beigetreten sind, um sich dem gesunden und erzieherisch guten Turnen zu widmen, unter dem Namen Weihnachtsfeier zu einem Beisammensein einlädt, dann erwartet man zumindest, daß hier auf den Namen dessen hingewiesen wird, der in dieser Nacht zu Bethlehem im Lande Juda dem Fleische nach geboren wurde.

Ein Versehen?

Das scheint nicht der Fall zu sein, denn in demselben Artikel, der mehrfach betont, daß Weihnachten eine Weihefeier „unseres Volkes“ sei (daß zu dessen Charakterisierung das Wort „österreichisch“ peinlich vermieden wird, wundert uns nicht weiter), wird auch davor gewarnt, etwa vom Adventskranz zu sprechen. „Lebenskranz" heißt das Ding. Dann aber folgen detaillierte Anweisungen für die Feier selbst. Ausgerechnet in der stillen Heiligen Nacht soll das „Nieder ländische Dankgebet“ erdröhnen: „Herr, mach uns frei!“ Und dann sollen die Lichter mit Weihesprüchen und Gedenkworten, die man passend der in Frankfurt erscheinenden Zeitung „Der Vorturner entnehmen soll, entzündet werden.

„Auf, haltet euer Herz bereit für einen neuen Morgen.“

Wir empfehlen dazu eine besondere Nuance: Ein Gast aus dem Innenministerium müßte, als Knecht Ruprecht verkleidet, in diesem Augenblick an die Tür klopfen und Theodor Storms Verse sprechen (mit verstellter tiefer Stimme natürlich):

„Nun sprecht, wie ich’s hier drinnen find’,

Sind’s gute Kind, sind’s böse Kind“ und daran schlösse sich zwanglos die Bescherung.

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