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Karl Heinrich Waggerl in Wien

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Vor kurzem las Karl Heinrich Waggerl, eingeladen vom „Kreis des geistigen Lebens“, in Wien. Endlich, denn es sind seit dem letzten Besuche des Dichters mehr als sieben Jahre vergangen. Und obgleich Viel geschehen ist inzwischen, wie man weiß, ist der Dichter' doch der nämliche geblieben: der Bewahrer einer überkommenen, sittlichen Ordnung, eines rechtsdiäffen bewältigten Daseins und alles dessen, was in der Stille geschieht und tröstlich ist. Freilich, mag einer einwenden, ob nicht heutzutage etwas Kräftigeres von-nöten sei, damit die Leute in ihren Händeln einhalten und den Blick nach innen kehren. Wohl, zuweilen scheint es, als sei das Instrument noch nicht erfunden, vor dessen Ton die Mauern stürzten, welche die Menschen hartnäckig wider einander aufrichten. Und doch geschieht es zuweilen, daß bloß eine Stimme das Trennende überwindet. Sie redet zwar nicht mit der Zunge des Engels, allein sie hat etwas von dem Atem, der dem Staube ein-geblasen ward, wie die Schrift lehrt; und sie hat die Güte und jene Heiterkeit, welche es nicht den Acker entgelten läßt, daß der Böse Unkraut zwischen den Weizen sät. Ja, und da sind denn auf einmal auch die Leute da, der Polizist hat seine Not gegen den Eifer derer, die da hören wollen. Keine neue Heilslehre natürlich in Dingen der Wirtschaft oder der Staatskunst, sondern von Dorf und täglichem Handwerk, von den Gezeiten des ländlichen Jahres, von Blumen und Gräsern, von Kummer und Plage und Fröhlichkeit, wie eben alles in den Tag gemischt ist und von der frommen Einfalt des Gemüts angeschaut wird. Der Dichter stand am Pult und setzte uns das auseinander,-nämlich wie Gott es eingerichtet hat, daß „Menschenkummer nicht lange währt, nicht in der Erde weiterwudiert wie Dornen-samen und seine schöne Welt verdirbt“. Und jeder, der da im Vortragssaal saß, freute sich und fand, daß es sich so verhält, wie es der Dichter darstellte, und sah zuweilen seinen Nadibarn an, ob sich der auch so freute. Und dergestalt fühlten sich alle einander nahe, und wenn auch der Dichter meinte, das Beste bleibe in uns stumm — wir sind getrost, daß er dem Guten beste Wolte gefunden hat.

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